§ 7. Die Bedeutung des Paradoxes in der „dialektischen Theologie”.

Wenn wir jetzt fragen, welche Stelle das Paradoxon bei dem um Barth, Brunner, Gogarten u.a. gebildeten Kreis einnimmt, dann müssen wir folgendes berücksichtigen.

A. Von „der” Stellung „des” Paradoxes bei dem genannten Kreis kann eigentlich, genau genommen, ebensowenig die Rede sein, wie von „der” Schule Barths oder von „der” dialektischen Theologie. Denn a): man darf nicht nur „den Bonner Professor von heute nicht auf den Safenwiler Pfarrer von damals festlegen”, wie es K. Barth selbst ausgesprochen hat, 1) sondern b) die dialektische Theologie zeigt auch mehr und mehr die Neigung, in wesentlichen Punkten ihre Einheit zu verlieren. Beide Bemerkungen gelten direkt auch für das Problem des Paradoxes.

ad a) Denn: was die erste Bemerkung betrifft: als der Safenwiler Pfarrer zu schreiben begann, war das Paradox bei ihm das Ein und Alles. Barths Römerbrief ist voll davon. Mitarbeiter gebrauchten das Wort unaufhörlich und bemühten sich es zu begründen; und Anhänger taten ebenso um das sacrificium intellectus, die Formel A=B, die Krisis und den Glaubenskritizismus in der „Kategorie” 2) |337| des sogar „absoluten 3) Paradox” zusammen zu fassen. Die Frage des Paradoxon wurde mit allen thesauri ecclesiae, allen fundamentalen Begriffen verbunden: Christus, 4) Offenbarung, 5) Ur- und Endgeschichte, 6) Ewigkeit, 7) Gericht, 8) Gott- und Mensch-Verhältnis, 9) Aergernis, 10) Glaube, 11) Wunder, 12) Chr. Rede, 13) Existenz, 14) Apostolat, 15) Gerechtigkeit Gottes, 16) Taufe 17) usw. Alles dessen ungeachtet wurde i.J. 1932 vom Bonner Professor geschrieben, dass „es sich empfehlen dürfte, von diesem Begriff (Paradox), nachdem es seinen Dienst getan, aber auch allerhand Verwechslung hervorgerufen hat, in der Theologie nun wieder sparsameren Gebrauch zu machen”. 18) An sich ist dies schon eine merkwürdige, etwas lakonisch angekündigte Veränderung in der Art und Weise des Sprechens (bzw. „Zeugens”).

Eine wirkliche Problemverschiebung, zweitens, findet sich vor in Barths Auffassung des Wortes „Paradox” selbst. In seiner erster Periode wurde dieses Wort von Barth c.s. durch die These vom unendlichen qualitativen Unterschied zwischen Zeit und Ewigkeit terminiert: was aus der Ewigkeit kam, widersetzte sich aller endlichen |338| Meinung (doxa), allem Ruhm (doxa), allem Schein (doxa) der Zeit, des Menschen, des Fleisches. Das Wort „doxa” wurde damals in nahezu allen Bedeutungen, die es haben konnte, gebraucht, auch wo es, wie wir bereits sahen, zu illegitimen Manipulationen mit dem Begriff „Paradox” dienen musste; aber offenbar war doch in dieser ersten Periode die Parodoxie immer als eine Konsequenz des qualitativen Unterschiedes zwischen Mitteiler (Gott) und Empfänger der Mitteilung (Mensch) gedacht. M.a.W. der Begriff „Paradox” wurde in Hinblick auf die Berührung von Mitteilung und Empfänger konstruiert oder (wenn man das hier bedenkliche Wort „Berührung” vermeiden will) in Hinsicht auf das Verhältnis dieser beiden. Jetzt jedoch gibt Barth dem „Paradox” einen neuen Inhalt, der tatsächlich die Verwirrung, die vor ihm und auch durch ihn 19) in bezug auf den Begriff „Paradox” bereits bestand, noch grösser macht. Jetzt löst Barth ja doch das Paradoxon vom „Verhältnis” von Mitteilung und Empfänger los, um es zu einem Attribut der Mitteilung selbst zu machen, ohne ihr konkretes Verhältnis zu (oder die Tatsache ihres Kontaktes mit) dem Empfänger mit zu berücksichtigen. Barth schreibt ja doch jetzt, 20) dass |339| „Paradoxon” „eine solche Mitteilung” ist, „die nicht nur mittels einer *`>", einer ‘Erscheinung’ gemacht wird, sondern die B"D J¬< *`>"<, d.h. im Gegensatz zu dem was die Erscheinung als solche zu sagen scheint, verstanden sein will, um überhaupt verstanden zu werden”. Hier ist also nicht mehr dies das Paradoxale im Paradox, dass es selbst inhaltlich mit sich selbst uneins scheint, sondern dass es formal-methodisch mit sich selbst als Mitteilung uneins ist. Indessen darf man daraus noch nicht schliessen, dass Barth also das Wort Paradox schliesslich doch auch im Sinne unseres Typ I zu verwenden begonnen hat, namentlich soweit darin die Paradoxa einbegriffen sind, die selbst bereits durch einen schon an der Oberfläche auffallenden scheinbaren Selbstwiderspruch überraschen (z.B. das Zenosche Paradox, der fliegende Pfeil, Achilles und die Schildkröte). So ist es nicht gemeint. In der paradoxen „Mitteilung” sieht Barth keinen Gegensatz zwischen dem Gehalt (Inhalt) 21) der Mitteilung und ihrem „Schein”, sondern zwischen diesem Gehalt (Inhalt) der Mitteilung und ihrer „Erscheinung”, besser noch, der „Erscheinung”, deren sie sich als eines Mediums („mittels”) bedient. Wir brauchen nicht zu sagen, dass diese neue Verwirrung im Gebrauch des Begriffes „Paradox” ebenso beschwerlich für den wissenschaftlichen Verkehr ist, wie unverantwortlich gegenüber der Geschichte des Wortes und seiner sprachlichen Bedeutung (denn „doxa” in „paradox” bedeutet nicht nur nicht „Schein”, sondern auch noch viel weniger „Erscheinung”; überdies ruft dieses letzte, philosophisch schwer belastete Wort hier eine Menge unbeantworteter Fragen hervor). Was jedoch wohl besondere Beachtung verdient, ist die Tatsache, dass nun nach dieser neuen und letzten Auffassung Barths das Paradoxon des Wortes Gottes als ein Gegensatz angesehen wird zwischen der „Erscheinung”, deren sich das Wort bedient und der scheinbaren Aussage dieser Erscheinung („was die Erscheinung als solche zu sagen scheint”). Es wird dadurch |340| wieder nicht einfacher; denn nicht nur bleibt es fraglich, was der überbelastete Terminus „als solche” hier bedeutet, sondern wir stehen auch überdies vor der Schwierigkeit, hier von einer doppelten Mitteilung (Aussage) sprechen zu hören: es gibt ja doch a) die paradoxe „Mitteilung” selbst und dazu kommt dann als zweite b) die scheinbare Mitteilung ihres Mediums, der Erscheinung. So häufen sich die Fragen. Barth umschreibt jetzt das Paradoxon von Gottes Wort als Gegensatz (und zwar „in ganzer Strenge”) zwischen Mitteilung und Gestalt, auch wohl als Gegensatz zwischen Gehalt und Gestalt; die „Gestalt als solche bedeutet” hier dann „ein ‘Rätsel’, eine Verhüllung des Wortes Gottes”. 22) Dieses letzte Wort „Verhüllung” ist die Brücke, die inhaltlich das Paradoxon dieser neuesten Umschreibung mit Barths früheren Aussprüchen verbindet: „wir haben das Wort Gottes nicht anders als im Geheimnis seiner Welthaftigkeit” 23). Die „Gestalt . . . ist . . . ein ungeeignetes Mittel der Selbstdarbietung Gottes. Sie entspricht der Sache nicht, sondern sie widerspricht ihr”. 24) Diese letzten Worte muss man sich vor Augen halten um zu sehen, wie zwar das Problem der Paradoxalität jetzt in neuen Formen und mit neuen Argumentationen 25) dargeboten wird, wie aber trotzdem weiterhin das Paradoxon als ein Begriff, der ja doch seinen Dienst getan hat, anerkannt und dem Inhalt nach aufrecht erhalten wird. „Ein ungeeignetes Mittel”, — |341| Barth ist also immer noch in Konflikt mit der klassischen reformierten Theologie, die von der perspicuitas, efficacia, claritas und sufficientia der Offenbarung sprach.

Eine dritte tatsächliche Aenderung in seinen Ideen bemerkt man, wenn man Barth in diesen jüngsten Erörterungen das Paradox von Gottes Wort mit allen anderen „Paradoxa” vergleichen sieht. Der Unterschied ist zwar da, aber nach dem Wortlaut ist er teils prinzipiell, teils graduell. Das Paradox von Gottes Wort erfüllt, sagt Barth, den Begriff des Paradox (Gegensatz zwischen Gehalt und Gestalt) „in ganzer Strenge”, offenbar tun andere Paradoxa dies nicht in ganzer Strenge. Hier scheint der Unterschied graduell zu sein. Aber es ist auch prinzipieller Unterschied vorhanden. Denn „in allen anderen denkbaren ‘Paradoxa’ ist der Gegensatz zwischen Mitteilung und Gestalt ein solcher, der von irgendeinem überlegenen Standort aus aufgelöst werden kann.” Das Verwunderliche an diesem doppelten Ausspruch liegt natürlich nicht im Aufstellen dieses genannten prinzipiellen Unterschiedes zwischen dem, einen Paradoxon und allen anderen Paradoxa (derartige Aussprüche sind ja nicht neu 26) und passen ganz in das „System”). Nein, es liegt in dem zwischen den beiden aufgestellten graduellen Unterschied, im Behaupten eines tertium comparationis zwischen beiden Arten von Paradoxa, was ihre Struktur betrifft. Auch jene anderen, sogar alle denkbaren anderen Paradoxa schliessen nach Barth einen Gegensatz zwischen Mitteilung und Gestalt in sich.

Es wären hier verschiedene Fragen zu stellen, z.B. was diesmal „Mitteilung” bedeutet, was die „Gestalt” (als Medium der Mitteilung) ist, inwiefern „Gegensatz” ein Wort ist, das hier von jeder Rhetorik freibleibt. Aber dies alles lassen wir ruhen. Darum geht es uns: wenn man auch mit der Versicherung rechnet, dass die andern |342| „Paradoxa” nicht „in ganzer Strenge” den qu. Gegensatz sehen lassen, so bleibt doch die Frage offen, ob nicht, weil bei diesen „Paradoxa” „Gehalt” und „Gestalt” beide (nach Barth) „von unten”, „welthaft”, menschliche Erzeugnisse, wenigstens Denkberichte sind, deshalb die Behauptung, ein „Gegensatz” zwischen diesen beiden liege auch bei den „anderen” Paradoxa vor, de facto ein Uebertragen des Göttlichen auf das Menschliche, des Ewigen auf das Zeitliche ist, wenigstens das Aufstellen einer Analogie zwischen diesen beiden? Warum gibt es beim Wort Gottes (nach Barth) zwischen Gehalt und Gestalt Gegensatz? Weil der bekanntte unendliche qualitative Unterschied dahinter steht und weil die „Welthaftigkeit” der „Rede Gottes” also eigentlich diese Rede in eine sie „kompromittierende Nachbarschaft” stellt. 27) Aber alle „anderen” Paradoxa werden, als Paradoxa, in einer ihnen ebenbürtigen „Nachbarschaft” geboren, höchstens kann man sagen, dass sie selbst für diese kompromittierend sind, weil sie eine (nach Barth selbst) mögliche Lösung doch nicht zu ergreifen vermögen. Das, was Barth zur These von Gegensatz zwischen Gehalt und Gestalt des Paradoxons von Gottes Wort zwang, fehlt hier, bei den anderen Paradoxa, also ganz und gar. Das Ponieren einer Analogie zwischen diesen beiden und die Behauptung eben dieses tertium comparationis fällt darum — wenn es bewusst geschehen ist — aus dem Rahmen von Barths Konstruktionen heraus und stellt eine analogia paradoxorum auf, die sich im Erkenntnisproblem, streng durchgedacht, wohl mit der von Barth bestrittenen analogia entis verbinden lässt, aber nicht mit seiner eigenen •<"8@(\" B\FJgTH. 28) Und darum ist es eigentlich Verrat an Barths eigenen Grundaxiomen, wenn er einen solchen Gegensatz nun auch bei anderen „Paradoxa” als denen des Worte’s Gottes aufstellt. Solche Gedankengänge würden wohl in das Denksystem Rudolf Ottos passen, aber nicht in das |343| K. Barths. Sie beweisen, wie unsicher sein Gang betreffs des Paradox wird, und wie doch das alte Schema nicht radikal preisgegeben wird. Die Tatsache, dass ein scharfer Denker wie Barth dazu kommen konnte, die „anderen” Paradoxa zu benennen und ihrer Struktur nach zu qualifizieren nach Analogie von „das Paradoxon des Wortes Gottes”, mag eine unbedeutende Einzelheit zu sein scheinen, aber gerade weil sie ein Verstoss gegen die tiefsten Grundgedanken seines ganzen Offenbarungszeugnisses ist, zeigt sie die Unruhe, in der sich sein Denken in bezug auf das Paradox immer noch bewegt.

Eine vierte, für das Paradox äusserst wichtige Frontverlegung stellt sich in dem dar, was Barth jetzt über die „Existenz” und das „existentielle Denken” bemerkt.

In seiner ersten und mittleren Periode (Römerbrief bis Chr. Dogmatik) wurde die „Existenz” des Menschen nur als gebrochen betrachtet und unter die absolute Krisis gesetzt. Keinen anderen Ausweg gab es aus ihr als den der unbedingten, gnädigen Rechtfertigung. 29) Und darum ziemte dem Existierenden dem Wort Gottes gegenüber eine existentielle Aufgeschlossenheit, 30) weil seine Existenz selbst der Synthese entbehrt. 31) Wie ernst dies letzte gemeint war, geht wohl aus der Ausarbeitung hervor, die die bekannte These vom unendlichen qualitativen Unterschied zwischen Gott und Mensch in diesem Punkt empfängt. Gott ist „Herr über den Gegensätzen seiner eigenen Existenz”, Er „existiert in der Synthese”. Aber der Mensch existiert darin nicht; seine Existenz musste also nicht nur eine Frage stellen, in ihrer Aufgeschlossenheit, sondern selbst zu einer Frage werden, „indem er (der Mensch) von Gott, wirklich von Gott reden hörte;” 32) es ist eine Frage „nach der Ueberwindung des sie (die Existenz) auflösenden und |344| atomisierenden Widerspruchs”, „also” eine „Frage nach ihrer eigenen Verwirklichung”. 33) Der Mensch „hat” also nicht bloss die Frage seines Selbstwiderspruchs, er „denkt” sie nicht bloss, er „ist sie”; in diesem Punkt hat Marcion etwas Gutes gesagt. 34) Im Selbstwiderspruch der menschlichen Existenz sind also Thesis und Antithesis vorhanden, aber diese „liegen” durchaus nicht „wie die Balken einer Wage im Gleichgewicht”; hier ist nichts zu systematisieren. 35) Unsere Existenz ist zerrissen, wir sind „nur Frage”. 36) So erklärt sich, dass das Wort Gottes ein Begriff ist, der allein „existentiellem Denken” überhaupt „zugänglich ist”; weil die Existenz ja doch nur Frage ist, kann sie Gott nicht „erzeugen”, hat sie das „Du”, womit sie als „Ich” in Beziehung zu treten hat, nicht in ihrem Bereich, sondern muss auf das „Du” stossen. 37) So ist dies „Du” absolut paradox.

Hier in diesen Erörterungen der ersten Periode ist also die Verbindung mit Kierkegaard und der bekannten Paradoxlehre deutlich.

Unklar jedoch werden bereits nachher (in der Chr. Dogm.) die Verbindungswege zwischen Barths Anfang und seiner Fortsetzung, wenn er, in demselben Zusammenhang, um die Bedeutung des von ihm wieder hervorgehobenen existentiellen Denkens und der damit aufgetretenen „Veränderung der Betrachtungsweise” darzustellen, den vielbesprochenen 38) Satz schreibt: „Wir gehen vom phänomenologischen über zum ‘existentiellen’ (ethischen, verantwortlichen) Denken”, 39) und wenn er dann das „existentielle Denken” als ein „sich selbst” oder „seine Existenz” Denken |345| umschreibt. Barth will dadurch festlegen, dass „nur der wirklich Sachverhalte und Beziehungen, an denen der Mensch beteiligt ist, denkt, der sie denkt als konkrete Situationen, als Handlungen, in die er selbst existentiell verwickelt ist”. Damit will er dem zuvorkommen, dass der Mensch als uninteressierter „Schauspieler” oder auch als „Zuschauer” 40) auftreten würde im Denken über die Beziehung von sich zu Gott und umgekehrt. Nicht „Schauspieler” darf er sein, denn — der Mensch ist „in keinem Sinn in der Lage, sich selbst objektiv als Unbeteiligten zu betrachten”. Nicht Zuschauer, denn — er kann sich nicht von seiner Existenz abstrahieren und ist, von Gott angeredet, für sein Denken Gott verantwortlich. 41)

Diese Erörterungen zu kritisieren, hat für unseren Zweck keinen Sinn, weil wir hier nach historischen Zusammenhängen fragen. Aber eben in Hinblick darauf fällt es auf, das hier doch ein Element hineingetragen ist, das der Logik von Barths erstem Sturmlauf auf alles Menschliche, auf alle Kontinuierlichkeit fremd ist. Eine Existenz, die sich selbst zum Gegenstand ihres Denkens macht, hat sich nun einmal dadurch kontinuierlich gemacht. Sofern nun dies ihr zur Aufgabe gestellt wird, ist der Fluch des Kontinuierlichen theoretisch aufgehoben, die Paradoxie des „Du” entkräftet, der Schauspieler sowohl zum Zuschauer geworden als umgekehrt. Um dieser augenscheinlichen Schwierigkeit zu entgehen und um noch aufrecht erhalten zu können, dass wir „Offenbarung nicht auf den betrachtenden, 42) sondern auf den wirklichen Menschen sich beziehend denken” 43) müssen, poniert Barth nun zwar, dass Gott „bei diesem gleichzeitigen In-sich-selbst-bleiben und Aus-sich-heraustreten des Menschen” als wirkende Ursache auftritt, aber wenn er dann daraus schliesst, dass also der Mensch selbst „gerade nicht” das „wesentliche Subjekt” dieser |346| existentiellen Betätigung ist, dann wird doch hier mit dem Begriff „Subjekt” ein Spiel getrieben, um noch zu schweigen von dem unerlaubten Sprung von der Präposition „von” auf die Präposition „in” (wenn Barth nämlich feststellt, dass diese Betätigung „von Gott und in Gott getan ist”); 44) ein Ausspruch, den Eckart und Suso sogleich übernehmen würden.

So ist also in dieser Phase von Barths Entwicklung die Ausarbeitung des Begriffs des „existentiellen Denkens”,wiewohl z.T. kierkegaardisch, doch andernteils ein Verlassen von dessen Linie und der seines „Römerbriefes” und ein Aufgeben des absoluten Paradoxes. In der „paradoxen Gleichung” vom Problem der zum existentiellen Menschen kommenden Offenbarung will Barth zwar noch den „leeren Raum” durch das Paradox bezeichnet sein lassen, 45) aber diese Durchführung dieser aus seiner ersten Periode überbekannten Terminologie ändert doch nichts an der Tatsache, dass er mit ihrem Inhalt in Streit gekommen, dass sein Radikalismus preisgegeben ist. Die von Barth gegebene Versicherung, dass er das phänomenologische Denken dem existentiellen nur unterordne, 46) tut dem keinen Abbruch; denn in der Linie seines ersten Auftretens würde nicht eine Unterordnung jenes unter dieses, sondern die Aufstellung einer Antithese zwischen beiden gelegen haben.

Es verwundert uns denn auch nicht, dass Barth in seiner jüngsten Dogmatik (Kirchl. Dogm.) zugegeben hat, dass er in der Christ. Dogm., was dieses existentielie Denken betrifft, „doch (wenn auch nur in der Weise der libellatici der decinianischen Christenverfolgung) den falschen Göttern Reverenz erwiesen” habe. 47)

Er lässt jetzt (1932) wieder hie und da die alten Klänge seiner allerersten Periode hören, 48) wie er dies freilich 1929 |347| auch getan hatte. 49) Ausdrücklich weist er jedes Anthropologisieren ab, wenn es darum geht, theologisch zu sprechen, und lehnt sich darin gegen Gogarten auf, der eine „eigentliche Anthropologie” nicht als einen bestimmten locus der Dogmatik, sondern als das Mittelpunktsproblem der Theologie gewünscht hatte, 50) gegen Heidegger, über den wir bereits gesprochen haben, und gegen Eberh. Grisebach, der zwar auch „die endliche Existenz” als „eine durchaus fragwürdige Situation des Erkennenden” betrachtet und „das Begrenzende” ausserhalb des Selbst liegen sieht als „ein . . . nicht zu bewältigendes Gegenüber, das uns mit unserer monarchistischen Tendenz in Verlegenheit bringt”, wie er auch zwischen Gebilden des Gedankens (Gegenständlichkeit der Natur, der Geistesgeschichte) einerseits und der Verlegenheitssituation der Wirklichkeit des menschlichen Handelns andererseits scharf unterscheidet, der sich aber von Barths Existenzbegriff prinzipiell entfernt, wenn er erklärt, dass „die Begegnung mit dem Absoluten” „nur eine scheinbare Erfahrung” sein kann, „die ihr Apriori oder ihr Existential im eigenen Wesen hat”, oder wenn er behauptet, dass „der Unterschied von Innen und Aussen” „nur durch Aufklärung über das Wesen der Erinnerung klargemacht werden” kann, um dann schliesslich zu folgern, dass die Begriffe oder Bilder der Erinnerung sich auf die gegenwärtige Sphäre der Existentialität nicht mehr anwenden lassen, dass also keine dialektische Methode für eine Begründung der Existenz zuständig ist, denn die Erfahrung des Widerspruchs stellt jede Erinnerungsmethode in Frage, und das Absolute hat seine Bedeutung „im Reich des Gestern, aber das Heute ist gar nicht von ihm berührt”. 51) Diesen dreien gegenüber erklärt |348| Barth, er habe weder früher noch jetzt seine Dogmatik auf das existentielle Denken bauen wollen, 52) wenn er auch zugibt, Anlass zu Missverständnis gegeben zu haben.

Wenn auch Barth also sich selbst zum Teil korrigiert hat, so hat er sich doch betreffs des für das Paradox so wichtigen Punktes von der Existenz auch in seiner jüngsten Dogmatik zu Aussprüchen verleiten lassen, die sich nicht mit seinem früheren radikalen „Krisisismus” vereinigen lassen. Wir weisen nur auf zwei Dinge hin.

1. Die Behauptung eines existential-ontologischen Prius des ontisch-existentiellen Glaubens läuft jetzt bei Barth mit der „Definition des Glaubens als einer Weise des Geschichtlichseins menschlicher Existenz” parallel. Bereits dem Wortklang nach kommt er hier in Opposition mit seinem früheren Ausspruch, „dass der Glaube nur insofern Glaube ist, als er keine geschichtliche und seelische Wirklichkeit beansprucht”, 53) sondern Hohlraum, 54) Umkehrung, radikale Neuorientierung, 55) Sprung ins Ungewisse, in die leere Luft 56) ist. Aber überdies ist dies Geschichtlichsein der menschlichen Existenz und die Umschreibung des |349| Glaubens als eines Modus dieser Existenz doch wieder prinzipieli nicht zu vereinigen mit Barths ältester Auffassung, dass mit Rücksicht auf die Urgeschichte (Endgeschichte) nur von qualiftzierter Geschichte gesprochen werden kann; die Geschichte hat in der Krisis ihre radikalste Erledigung gefunden und das ist der rote Faden, der sich durch Da-Sein und So-Sein hindurchzieht, 57) und uns zu dem Zugeständnis zwingt, dass der Glaube nur als etwas Ungeschichtliches Geschichte begründen kann. 58)

2. Dazu kommt jedoch noch, dass Barth die menschliche Existenz als menschliche Selbstbestimmung umschreibt, die selbst wieder Gegenstand der Bestimmung durch das göttliche Wort ist und dass nun die so entstandene „Bestimmung des ganzen sich selbst bestimmenden Menschen durch das Wort Gottes” von Barth mit dem Begriff der „Anerkennung” bezeichnet wird. 59) „Selbstbestimmung” als „Anerkennung” des Wortes Gottes, sagt Barth. Aber dies ist etwas Positives, früher jedoch brachte die Existentialität des neuen Menschen es nicht weiter als zu der „unerhörten Lage, sich selbst in Frage zu stellen”, diese Frage war dann überdies „eine an uns gerichtete Frage eines andern”, 60) „Gottes Frage an uns und als Gottes Frage Gottes Antwort”. 61) So weicht die Frage Gottes einer Anerkennung des Menschen, wie übrigens die These, dass die geschichtliche und seelische Seite der Wahrheit immer ihre Unwahrheit ist, 62) jetzt einer Analyse des Begriffs „Anerkennung” Platz macht, so, dass darunter auch Erkenntnis fällt, ja sogar ein Teilnehmen an der doppelten Indirektheit, in der wir das Wort Gottes empfangen. D.h. unser Aufnehmen des Wortes Gottes hat ebenso wie das Wort selbst eine „welthafte Gestalt” |350| (Gestalt von allerlei menschlichen Akten), aber diese Gestalt wird seine Verhüllung, seine Infragestellung. 63)

Diese letzte Bemerkung kann wohl als Paradigma der eigenartigen Verwicklungen gelten, in denen sich Barths Denken hier verwirrt. Einerseits sind in der Existenzfrage neue Elemente konstitutiv geworden (Geschichtlichkeit, Anerkennung), die den Schrecken des absoluten Paradoxes mitigieren, andererseits wieder wird in einer in diesem Zusammenhang doch wohl leichtfertigen Weise auf das absolute Paradox zurückgegriffen. Leichtfertig sagten wir. Denn wenn die welthafte Gestalt unseres Aufnehmens von Gottes Wort eine Verhüllung genannt wird und dies expressis verbis als Teilnahme an der Indirektheit von Gottes in welthafter Gestalt zu uns kommendem Wort gesehen wird, dann ist das Wort „teilnehmen” hier nicht am Platze und die Parallelie, die zwischen Wort Gottes und Aufnahme des Wortes Gottes gezogen wird, doch eigentlich ungenügend begründet. Gottes Wort hat ja doch seinen paradoxen Gegensatz zwischen Gestalt und Gehalt, wie wir sahen, dadurch, dass sich etwas Göttliches mit etwas Welthaftem berührt. Aber bei der Selbstbestimmung des Menschen (Existenz, Anerkennung) ist kein Eingehen des Menschlichen in das Göttliche vorhanden; Selbstbestimmung ist nun einmal menschlicher Akt. Zwar behauptet Barth, dass im Akt der Selbstbestimmung das Leben des Menschen sein Zentrum, sein Woher, seinen Sinn und sein Kriterium ausserhalb seiner selbst, in dem Anerkannten hat, aber abgesehen von der Tatsache, dass hier die Präposition „in” wechselt mit „von” (dem Anerkannten) „her” (was doch wieder etwas ganz anderes ist), sei darauf hingewiesen, dass auch nach Barth selbst das Leben des Menschen doch nicht auf hört das sich selbst bestimmende Leben dieses Menschen zu sein. 64) Darum ist die These der „Teilnahme” ein gewaltsames Zurückgreifen auf den alten |351| Paradoxalitätsgedanken, aber ohne dass dieser sich organisch mit dem neu hereingebrachten Gedanken verbindet. So wie wir oben bemerkten, dass die Umschreibung „anderer” Paradoxa nach Analogie von „dem” Paradoxon sowohl dem Buchstaben als dem Geist von Barths erstem Auftreten widersprach, so muss hier bemerkt werden, dass die Schlusstirade über die Teilnahme unserer Anerkennung an der Indirektheit von Gottes Wort auch wieder die menschliche Existenz (und zwar in ihrem Geschichtlichsein!) nach Analogie von dem Offenbarungsvorgang von Gottes Wort umschreibt und dass also in seiner Begriffsbildung Barth sich selbst untreu wurde. Das Ganze beweist, dass die alte Paradoxentheorie zwar wankt, aber noch nicht preisgegeben wird, dass fremde Elemente hineingebracht werden, die jedoch als Konzessionen an fremde oder eigene Kritik keine radikale Revision beabsichtigen oder bedeuten, und dass also die Einheit fehlt.

ad b) Die Existenzfrage führt uns selbst bereits zu dem zweiten Punkt hinüber, den wir hier noch zu besprechen haben: zu dem mehr und mehr wahrnehmbaren Zerfall der Einheit der „dialektischen Theologie”. Wir nennen, in Anschluss an das Vorhergehende, die Frage von der Existentialität und, wieder in Anschluss daran, die vom „Anknüpfungspunkt”.

Was die Existentialität betrifft, so ist nicht nur K. Barth selbst mit sich selbst uneins, sondern auch die ihm Geistesverwandten sind dies in bezug auf einander. Die Meinungsverschiedenheit Barth-Gogarten kam bereits zur Sprache. Auch kann auf R. Bultmann hingewiesen werden, der zum Teil mit dem Gedankenschema von Barth-Gogarten einverstanden ist, aber betreffs der Existenz sowohl K. Barth als H. Barth gegen sich hat, den einen, weil er, Bultmann, den „freien Grund, den die Korrelation von Gott und Mensch in Gott hat”, bei seinem Denken in dieser Korrelation wegdenkt, weil er wenigstens diesen „Fehler Wobbermins” nicht deutlich vermieden hat, den andern, weil er (R.B.) die Existenz nicht auf ein ihr Jenseitiges bezieht, |352| und sich also in diesem sehr wichtigen Punkt an die Seite Heideggers mit seinem Zirkelverfahren stellt, 65) über welches Zirkelverfahren dann wieder ausser H. Barth auch K. Barth selbst ablehnend spricht. 66) Was E. Brunner betrifft, so schwächt er nicht nur tatsächlich die alte Kriegslosung ab, sondern er kommt prinzipiell damit in Konflikt, wie auch mit Barths letzter Behauptung, das die Anerkennung des göttlichen Wortes schliesslich in jedem ihrer Momente Gott zum „Subjekt” habe; denn Brunner behauptet, mit dem Niederschlagen der Vernunfthybris werde die „sich heimlich nach dem göttlichen Du sehnende Vernunft” befreit. 67) Aber betreffs der Existentialitätsfrage sympathisiert er, wie übrigens bereits aus dem eben Gesagten klar wird, mehr mit Gogartens „Anthropologie”, als K. Barth es tun konnte, 68) und geht sogar soweit, dass er die Anthropologie („das sich selbst Verstehen des Menschen”) den „gemeinsamen Boden des Glaubens und des Nicht-Glaubens” nennt. 69) Es ist klar, dass diese Auffassung noch umso mehr geeignet ist, den Abstand zwischen Barth und Brunner zu vergrössern, wenn man an den „Anknüpfungspunkt” denkt, über den wir bereits sprachen und der noch weiter zu erwähnen ist. 70) Schliesslich steht Brunner prinzipiell K. Barth gegenüber, wenn er sagt: „Die Existenz wäre nicht Frage, wenn |353| wir nicht Anteil hätten an der Gotteswahrheit”. 71) Und endlich, auch H. Barth unterscheidet sich u.E. prinzipiell von K. Barth, wenn auch dieser sich in der Existenzfrage Heidegger, Bultmann u.a. gegenüber auf ihn beruft. 72) Wir denken hier nicht so sehr an H. Barths Auffassung, dass Existenz nie gegenständlich werden kann, es sei denn in der Reflexion. Denn dies ist zwar eine Ablehnung von dem in K. Barths erster Dogmatik aufgestellten Begriff vom nicht-reflexiven „seine Existenz-Denken”, aber da Barth diese Dogmatik in diesem Punkt zurückgenommen hat, ist in dieser Hinsicht der Abstand zwischen ihm und H. Barth wieder überbrückt. Nein, wir richten unser Augenmerk auf andere Dinge.

Vor allem denken wir hier an H. Barths Anschauung, „dass das ‘Du’ im Horizonte der dialektischen Existenzauffassung liegt. Eben im ‘Du’, wie in aller vorfindlichen Wirklichkeit, ist die Frage vertreten, die die Existenz sich zu eigen macht”. 73) Dies wird durch die Behauptung verdeutlicht, dass „Existenz kein in sich abgeschlossenes Sein hat, sondern in Konfrontation steht, und dies nicht erst durch nachträgliche Beziehung auf eine ‘Norm’, sondern ihrem Begriffe nach; sie wäre nicht Existenz, wenn sie nicht ausgerichtet wäre auf die Krisis der Existenz, die die Begrenzung ihrer selbst und ihrer Möglichkeiten darstellt”. 74) Diese (philosophische) Konstruktion H. Barths ist doch kaum mit K. Barths (theologischer) Auffassung zu verbinden, die Existenz (Selbstbestimmung) habe ihr Zentrum, Woher, Sinn, Kriterium ausserhalb ihrer selbst. Dies ist bei K. Barth ein krampf haftes Festhalten an der „paradoxen Einheit” des Glaubens; bei H. Barth tritt jedoch |354| „der Zerfall dieser paradoxen Einheit” ein; denn ungeachtet E. Brunners Plaidoyer, worin er andere für den Zerfall der paradoxen Einheit verantwortlich macht, 75) steckt doch in dieser philosophischen Konstruktion H. Barths auch ein prinzipieller Liberalismus; solchen Liberalismus wirft er (unter Zustimmung von K. Barth) 76) Bultmann vor. 77) Erinnert man sich, wie bei der dialektischen Theologie anfänglich die Existenz nur sich in Frage bringen konnte und auf das „Du” stossen musste, und sieht man dann, wie nun die Existenz die im „Du” vertretene Frage sich zu eigen macht, und auf ihre Krisis „ausgerichtet” ist, dann ist klar, dass eine Schwenkung nach . . . Wobbermin eingetreten ist, obgleich K. Barth diesem den Gebrauch des Wortes „existentiell” verbieten will. 78) Und aufs neue stelit sich also H. Barth mit E. Brunner (siehe oben) in eine Frontlinie gegenüber K. Barth, der, ungeachtet all seiner Schwankungen, doch immer wieder auf das alte strikte Glaubensparadox zurückgreift, was sie nicht tun.

Es gibt übrigens noch einen Punkt, worin sich zeigt, dass H. Barth betreffs der Existenzfrage sogleich eine andere Linie zieht, als sich mit K. Barths Grundschema verbinden lässt. H. Barths soeben dargestellter Standpunkt hat ja doch seine Konsequenzen, auch in Beziehung auf die existentielle Dialektik. Die Dialektik, von der bei H. Barth in Beziehung auf die Existenz die Rede sein kann, ist (bei scharfer Konsequenz) eine solche, die „nicht im Hinblick auf die Existenz, sondern die in der Existenz selbst fragt |355| und antwortet”. 79) Hiemit ist die Zahl der Definitionen, die die dialektische Theologie von „Dialektik” gegeben hat, wieder um eine vermehrt, aber zugleich ist wieder das Wesentliche ihrer ältesten Auffassung von „Dialektik” preisgegeben; bei dieser handelte es sich ja doch immer um Dialektik zwischen Gott und Verhängnis, Verhängnis und Schuld, Schuld und Sühne, Sühne und Gott, „Alt” und „Neu”, Adam und Christus, alter und neuer Welt, Gericht und Begnadigung u.s.w., kurz, um Dialektik von dem „unendlichen qualitativen Unterschied.” 80)

Solche Unterschiede müssen natürlich einen prinzipiellen Hintergrund haben. Dieser liegt in dem Kontakt, den H. Barth zu legen wagt zwischen die „alte” (allgemeine) Existenz, die „ihre Gegenwart in der Geschichte, als dem wesentlichen Schauplatz der Entscheidungen hat” (118) einerseits, und die „neue” (besondere) Existenz „im gläubigen Menschen”, der „in der Wahrheit ist”, „sofern er in gegenwärtiger Existenz in ihr gründet” (119) andererseits.

Zwischen diesen zwei Existenzen liegt, nach H. Barth, ein Uebergang und das ist tötlich für die historische dialektische Theologie. Nachdem H. Barth ja doch aufgezeigt hat, dass „die Geschichte der Ort ist der Auswirkung existentieller Dialektik” (siehe oben), wird konstatiert, dass „jede geschichtliche Phase ein je Einmaliges und Unwiederholbares darstellt”, um dann darnach aequo animo zu behaupten, dass „ein” (!) „solches Einmaliges uns nun begegnet in demjenigen Elemente der Geschichte, das der Theologe aus der Geschichte überhaupt heraushebt (!) und als ‘Offenbarungsgeschichte’ bezeichnet”. Diese „Offenbarungsgeschichte” heisst dann „Geschichte in der Geschichte”.

Hiemit ist, radikaler als es in K. Barths schüchterner |356| Selbstkritik möglich schien, die Theorie über den Unterschied zwischen Geschichte und Urgeschichte durchbrochen. Radikal und für immer.

Und wenn dann H. Barth weiterhin behauptet, dass in der Offenbarungsgeschichte das Existenzproblem eine „unerhörte Zuspitzung erfährt” (119), dann sehen wir, auch hier, dass das Salz der dialektischen Theologie geschmacklos geworden ist. Das Existenzproblem, das früher bei ihr die Existenz des Glaubenslosen kritisch beleuchtete von der Existenz des Gläubigen aus, ist jetzt so gestellt, dass das, was philosophisch-anthropologisch über die nicht glaubende Existenz festgestellt wurde, seine „Zuspitzung” im Glaubenden findet. Der Kreis der Selbstverzehrung schliesst sich, wenn die „allgemeine” (K. Barth, K. Dogm. 39) „Existenz in der Begrenzung” (d.h. die Existenz, die ihre eigene bereits genannte „Dialektik” in sich selbst besitzt und antreibt) von H. Barth eine „Analogie” der Gotteserkenntnis genannt wird (117).

Nun genügt es uns nicht, dass K. Barth vor diesen Konstruktionen vorsichtig warnt und im Hinblick auf die Autarkie der allgemeinen Existenz zu der eigenen existentiellen Dialektik, offensichtlich ziemlich skeptisch steht (K. Dogm., 39, 208/9). Mehr sagt es uns, dass, gegeben einmal diese prinzipielle Schwenkung, (die bereits in der Behandlungsmethode der Existenzfrage Verrat an den alten Axiomen K. Barths c.s. bedeutet) jetzt auf der ganzen Linie die Uneinigkeiten an den Tag kommen, kommen müssen. Kierkegaards Existenzbegriff, der dem „objektiven” Denker keine Existentialität beilegen und nur dem in Spannung gesetzten, von oben ergriffenen „Gleichzeitigen” existentielles Verfahren zuschreiben konnte, ist hier von einem Anthropologisieren völlig verschlungen worden, das nun, auch in der Qualifizierung der Existenz überhaupt, in allen Punkten das nachkierkegaardsche Paradoxon samt seinen Prolegomena über den Haufen wirft.

Nun ist es wahr, dass H. Barth selbst wiederholt darnach trachtet, die für die dialektischen Theologie hier so |357| verhängnisvollen Konsequenzen abzuwehren. Er lässt den Beziehungspunkt, den Richtpunkt, das Forum, worauf und wovor in der Existenzfrage die Möglichkeiten der Existenz hingehalten werden, ausserhalb der ermessenen Möglichkeiten und auch ausserhalb der jeweiligen konkreten Existenz liegen; er lehnt sich gegen Heidegger auf. weil dieser das Problem der „Grenze” in seiner Existenzphilosophie nicht kennt; er lehnt sich gegen den Gedanken auf, die Existenz würde „sich ihr Problem in sich selbst” stellen, denn dann würde Gott damit erübrigt sein; auch will er den theologischen Oberbau am allerwenigsten auf seiner oder irgend einer anderen Existenzphilosophie ruhen lassen, oder den „Menschen” in den Mittelpunkt stellen oder die Existenz in ihrem eigenen Dasein verankern. Und ausdrücklich erklärt er, dass „Existenz in der Begrenzung” doch noch keine Gotteserkenntnis sei. Auch setzt er die „neue Existenz” zu der „alten” in ein Verhältnis, das paradox im eminenten Sinne heisst, weil das grosse Paradox, dass Gott Fleisch ward, die neue gegenüber der alten („allgemeinen”) bestimmt. 81) Aber dies ändert doch nichts an der Tatsache, dass bei ihm die Existenz auf ihre eigene Krisis ausgerichtet ist (und also auch auf ihre eigene Begrenzung, denn diese liegt ja doch „nicht in der Norm, sondern in der Krisis eben der Existenz selbst”) und dass sie „primär” in der Verantwortung, in der Konfrontation steht. 82) Dies alles ist, nun es einmal unter dem Gesichtspunkt der Berührung zwischen Geschichte und Offenbarungsgeschichte beschaut werden muss, eine Betrachtungsweise, die nach Barths ältesten Auffassungen zu qualifizieren ist als ein Geben dem Menschen, was Gottes ist. Unter diesem Gesichtspunkt sehen wir nun in H. Barths Existenzphilosophie auf der ganzen Linie einen bedeutenden Unterschied von K. Barth, der die Kraft der wirklichen Begrenzung der Existenz, sofern dieseKrisisundVerantwortung” heissen darf, eben ihr selbst absprach, um sie allein von |358| Gott her kommen zu lassen, der jede sinnvolle, an die Existenz gerichtete Frage von aussen her, von Gott her ihr zukommen liess, der das „kritisch Charakterisieren” allen Da-Seins und So-Seins dem „Christus in uns” (dem an uns gerichteten Wort Gottes) vorbehielt, und der — weit davon entfernt eine Analogie zwischen alter und neuer Existenz aufzustellen! — den Menschen sah „herkommen von einer umfassenden Aufhebung aller Prädikate unsres uns bekannten Seins” und ihn sah „entgegengehen einer ebenso umfassenden, aber totaliter aliter verlaufenden Prädikation unsrer uns unbekannten Existenz in Gott”. 83) Und was K. Barths jüngste Auffassung betrifft — auch selbst noch damit kommt H. Barth in Konflikt. Steht es nämlich fest, dass nach K. Barth ohne das Wort Gottes von einer Offenbarungsvorgang keine Rede sein kann, dann ist seine Stellung als Theologe gegen H. Barth als Philosophen gerichtet, denn K. Barth versichert, die menschliche Existenz sei Gegenstand der Bestimmung durch das göttliche Wort und erst darin und dadurch bestimme sie sich selbst und lerne „Du” sagen.

Nein, hier sind bei H. Barth keine angeborenen Ideen im Spiel, wohl aber angeborene Begrenzung, eine angeborene Dialektik, eine angeborene Krisis; und es ist nur die Frage, ob diese These des „Angeborenseins” von „Existenzbewegungen” (seien es denn auch nur „formale”), 84) die auch in der „neuen Existenz” vollzogen werden, nicht genau so erschütternd auf die Fundamente der dialektischen Theologie wirkt, wie die Lehre der angeborenen Ideen. Diese „kritische Existentialphilosophie” H. Barths spricht zwar noch von der „Disparatheit der beidseitigen Existenzweisen” (der „alten” und der „neuen” Existenz), aber sie kann gerade nicht deutlich machen, dass diese Disparatheit |359| etwas mit der Existenzweise zu tun hat, wenn nämlich (wie behauptet wird) Begrenzung und Krisis und das „Sich-zu-eigen-Machen” der im „Du” enthaltenen Frage in dem Begriff der Existenz als solcher beschlossen liegen. Und eben wo sie diese Disparatheit als das sieht, was ihr den Begriff desParadoxen” (im Verhältnis der neuen Existenz zur alten) „nahelegt”, 85) ist in diesem wichtigen Punkt ihre Problemstellung unbefriedigend von dem Standpunkt der Problematik der dialektischen Theologie selbst aus, und da ist die Brücke zur Theologie, wenn man nämlich darunter die dialektische versteht, abgebrochen, ungeachtet ihrer gegenteiligen Versicherung. 86)

Das wird übrigens auch erhärtet aus der Tatsache, dass diese „kritische Existentialphilosophie” in „Existenz in der Begrenzung” zwar keine Gotteserkenntnis sieht, aber doch wohl eine „Analogie” der Gotteserkenntnis. 87) K. Barth jedoch hat der Lehre von der analogia entis die •<"8@(\" B\FJgTH gegenübergestellt und nur unter dieser Einschränkung den Analogiebegriff beibehalten. 88) Nach ihm ist sie „die Entsprechung des Erkannten im Erkennen, des Gegenstandes im Denken, des Wortes Gottes im gedachten und gesprochenen Menschenwort” (in der gläubigen christlichen Prophetie). Zugegeben sei, dass auch dieser Analogiebegriff seiner ersten Periode fremd ist, aber er ist doch noch immer etwas anderes als die Analogie, die H. Barth hier aufstellte. H. Barths Analogie läuft tatsächlich auf eine Parallelie zwischen Naturerkenntnis und Gotteserkenntnis hinaus. Kein Wunder, dass K. Barth diesen Analogiebegriff kritisiert: „diese Behauptung kann kein theologischer Satz werden. Denn wie er theologisch zu begründen sein sollte, ist nicht abzusehen.” 89) |360|

Die Milde dieser Kritik weist jedoch darauf hin, dass sich K. Barth selbst in Unsicherheit befindet hinsichtlich seiner früheren Auffassungen, nach denen „dieser Satz” nicht nur nicht theologisch begründbar, sondern sehr bestimmt theologisch verwerflich heissen würde. Wir sahen übrigens bereits, dass er selbst auch hie und da diesem Analogiebegriff nahekommt. Die gratia inhaerens 90) ist noch nicht importiert, aber wohl mit einer Lehre von einem formalen schema gratiae inhaerens ist hier von H. Barth ein Bund geschlossen worden, und K. Barth ruft seine „Todeslinie” nicht dagegen zu Hilfe. Vielleicht ist hiemit die Situation einigermassen gekennzeichnet. Und zugleich das Schwanken zwischen Verwerfung und Annahme der „eigentlichen Anthropologie” in der Theologie.

Und so kommen wir automatisch zu dem zweiten Punkt, der noch die Aufmerksamkeit fordert: zur Lehre vom „Anknüpfungspunkt”. Wenn nämlich einmal für H. Barths „Analogie” Platz gemacht ist, dann liegt die Folgerung auf der Hand, dass, sei es auch unter Beibehaltung des Gegensatzes zwischen Heidegger und den dialektischen Theologen, 91) doch dessen Untersuchungen für die dialektische Theologie grosse Bedeutung haben, soweit Heidegger das existentielle In-der-Welt-Sein des schlichten Menschen analysiert hat. Dieser Schluss wird denn auch mit deutlichen Worten von E. Brunner gezogen. „Der Hinweis Heideggers auf den vorrationalen Menschen — der wir irgendwie alle sind — bleibt ein Gewinn, auch für die Theologie” . . . „Auf ihn” (d.h.: auf den schlichten Menschen) „und sein Wissen von sich selbst . . . hat sich auch heute . . . rechte Theologie zu beziehen”. Und nun noch einen Schritt weiter: „Die Glaubenserkenntnis ist von der Art, dass in ihr diese schlichte Lebenserkenntnis, dieses schlichte Wissen um Tod und Sünde, aufgehoben und vollendet ist . . . Der Glaube kann sich nicht anders |361| vollziehen als so, dass diese natürliche Selbsterkenntnis in ihm vollendet wird. 92)

Diese Worte E. Brunners, die man vor einigen Jahren noch nicht für möglich gehalten hätte, beweisen wohl, wie sehr er mit seiner Anthropologie in der Theologie ernst macht. 93) Und sie involvieren, was er sogleich darauf folgen lässt: dass die Theologie nicht darauf verzichten muss, „an das natürliche Selbstverständnis des Menschen anzuknüpfen.” 94)

Dieses letzte Wort bringt nun Brunner zu einer Erörterung, in der das Wesentliche dies ist:

1. Ausgehend von der anthropologischen Frage nach dem Anknüpfungspunkt, den die Verkündigung des Wortes Gottes bei dem hörenden Menschen finden kann, die Frage also nach der „Beziehung zwischen dem ‘natürlichen Menschen’ und dem Worte Gottes” 95) — dieser Anknüpfungspunkt war bereits früher von ihm in der „menschlichen |362| Frage nach Gott” gezeigt worden — 96) findet Brunner für diese Frage „ihren bestimmten und legitimen Ort” in der Lehre de homine ad Deum creato in statu corruptionis; m.a.W. in der Schöpfung des Menschen nach der imago dei und in der Tatsache, dass er Sünder ist. 97)

2. Bereits durch das Aufstellen eines Anknüpfungspunktes überhaupt bricht Brunner im Prinzip mit dem absoluten Paradox der älteren dialektischen Theologie und akzentuiert noch schärfer die Unterschiede, die sich zwischen ihm und K. Barth schon lange konstatieren liessen. Brunner nähert sich sogar der klassischen reformierten Theologie einigermassen, wenn er den Anknüpfungspunkt vorfindet in dem sog. „Vorverständnis” als Voraussetzung zum Verständnis der apostolischen Glaubensbotschaft (Anknüpfung an das vorhandene religiöse Sprachgut, das dann, sei es auch durch eine petitio principii, durch ein „d.h.” mit dem vorhandenen religiösen Bewusstsein identifiziert wird); hier beginnt etwas von der reformatorischen Lehre der perspicuitas der Offenbarung zu schimmern und von Calvins „accommodatio” Gottes in der Offenbarung. 98) Insofern geht Brunner denn auch schon weiter als i.J. 1929, wo er den Anknüpfungspunkt einzig im Negativen suchte. 99)

3. Dennoch zieht Brunner weiterhin noch soviel wie möglich mit der dialektischen Theologie an demselben Strang: wiewohl das Evangelium in einer bestimmten Kontinuität mit dem allgemein-menschlichen und dem allgemein-religiösen Vorverständnis verkündigt werden muss, wird doch auch wieder die Kontinuität, sagt er, völlig durchbrochen; das Vorverständnis wird durch das Evangelium nicht nur korrigiert, sondern auch in der schärfsten Weise negiert, und die Predigt bringt es nicht weiter als zu einem |363|Hinweis”. 100) Der „deus nudus” wird in Uebereinstimmung mit den Prämissen der dialektischen Theologie denn auch als der „zornige Gott” gesehen, und die Vernunft wird aktuell gefasst als Bezogenheit, als Vernehmenkönnen. 101)

4. Darum sprechen wir hier nicht länger über die Frage, wie dieser Anknüpfungspunkt von Brunner weiter dargelegt wird und inwiefern diese Darlegung an innerem Widerspruch leidet und inwiefern nicht. Uns interessiert hier nur, inwiefern er sich in diesem Punkt von K. Barth unterscheidet.

5. Brunner ist sich dessen bewusst, hier von K. Barth abzuweichen. Barth, so sagt Brunner, leugnet die unbedingte Sonderstellung des Menschen gegenüber der Kreatur, die Beziehung der Humanität als solcher zur Gottesebenbildlichkeit und die Existenz oder Bedeutsamkeit natürlicher Gotteserkenntnis (damit die Abschwächung des Begriffes Erbsünde keiner Thomistischen Kontinuitätslehre die Tür öffnen sollte). Brunner bemerkt dann, dass die Reformatoren aus der Lehre der Erbsünde nie solche Konsequenzen gezogen haben (aber er versäumt es zu untersuchen, ob die Reformatoren in der Tat den bei der dialektischen Theologie verteidigten Begriff von „Erbsünde” je gehabt haben; seine ganze Beweisführung wird ja doch hinfällig, wenn sich beweisen liesse, dass ihr Sündenbegriff eben zur Voraussetzung hat, was hier als eventuelle Konsequenz zur Debatte gestellt wird). Er hält dann weiter K. Barth gegenüber fest, dass es nicht recht und nicht nötig ist, den Versuch, in der natürlichen Religion einen Anknüpfungspunkt für die wahre Gotteserkenntnis zu finden, Thomistisch zu nennen. 102)

6. Damit ist noch deutlicher demonstriert, wie weit sich E. Brunner doch eigentlich von den ältesten Auffassungen seiner Gruppe entfernt hat. War bereits die Behauptung irgend welchen Anknüpfungspunktes für das Wort Gottes in dem Menschen selbst ohne weiteres ein Durchbrechen |364| der Axiomata der anfänglichen dialektischen Theologie, so wird für diese die Situation noch viel ernster, wenn Brunner diesen Anknüpfungspunkt beweisen will unter völligem Aufrechterhalten seines Begriffes der Erbsünde, den man ja s.E. braucht, um die „reine Gnadenlehre” nicht zu verletzen. 103) Früher hat die Erbsündenlehre Brunner zu der Auffassung gebracht, dass „die gute Schöpfung jenseits dieser Sichtbarkeit” liege, dass „die ganze Geschichte sündig vergiftet” sei, dass die Offenbarung „selbst nicht vom humanen Auge . . . aufgefasst werden könne”, welcher Ausspruch sich durch den folgenden erklärt, dass „auch die literarischen Zeugnisse von dieser Offenbarung nur vom Glauben richtig verstanden werden können”. 104) Jetzt jedoch wird die Vernunft zu formaler Voraussetzung des Glaubens. Eine zweite Voraussetzung des Glaubens ist das „Weltbewusstsein”. Und „die Gebundenheit im Gewissen” (das „zur Existenz des natürlichen Menschen als solchen gehört”) heisst „der Ort, wo einerseits die entscheidende Anknüpfung, andererseits der entscheidende Gegensatz stattfindet”. 105)

Für die Bestimmung der historischen Entwicklung der Dinge in der Theologie der „Krisis” ist es nun von Bedeutung, dass Brunner sich hier einerseits der Theologie der Reformatoren nähert, andererseits sich im entscheidenden Punkt immer wieder davon abwendet. So wird z. B. einerseits Nachdruck darauf gelegt, dass die obengenannten „immanenten Möglichkeiten” und vor allem ihre „Spitze” (Gewissen, Erkenntnis der Sünde!), nur negative Möglichkeiten sind; aber auf der anderen Seite glaubt Brunner, dass diese negativen Möglichkeiten durch das Wort Gottes „verdichtet”, „zur praktischen Wirklichkeit”, aktuell gemacht werden müssen, zur Reife, zum Ausbruch kommen, Wirklichkeit werden müssen. 106) Wir fragen nicht, was wohl hier im Begriff „Erkenntnis” (der Sünde) vor dieser Realisierung enthalten, |365| sein mag, sondern konstatieren nur, dass die reformatorische Theologie in ihrer Entwicklung hier eine Lösung gefunden hat, nicht in der Aktualisierung von negativen Möglichkeiten, sondern in der positiven Einpflanzung des semen regenerationis, dieser „nova creatio” (Canones Dordraceni). Einerseits erinnert Brunner an die bei den Reformatoren tatsächlich vorkommende Theorie von dem „Rest” der imago dei und er gebraucht diese Lehre zur Unterstützung seiner Auffassung der „humanitas”; andererseits jedoch hat er gegen diese Theorie einzuwenden, der quantitative Ausdruck „Rest” sei hier „missverständlich”, und konstatiert, offenbar um das Missverständnis zu beseitigen, wir haben es hier mit einem „dialektischen Verhältnis” zu tun: „Kontinuität und Diskontinuität, Anknüpfung und Gegensatz miteinander”. 107)

In diesem letzten entscheidenden Punkt sehen wir Brunner, genau so wie Barth, zurückkommen auf frühere absolutistische Aussprüche zu Gunsten der historischen, orthodox-reformatorischen Theologie, und andererseits doch verharren in Dialektik. Brunner beruft sich zwar auf Luther und Calvin, verwundert sich darüber, dass der „negativere Akzent diesmal merkwürdigerweise bei Luther fällt”, aber er beruft sich 108) für seine Theorie der humanitas doch eigentlich zu Unrecht und also vergebens auf diese Reformatoren. Denn er versäumt es auf den Begriff „Rest” einzugehen, wie die Reformatoren diesen aufgestellt haben, ein Begriff, der doch wirklich etwas mehr ist als eine ungenaue quantitative Ausdrucksweise, die man nur ein wenig zu präzisieren hätte, um die humanitas Brunners daraus destillieren zu können. Dieser Fehler kommt bereits an den Tag, wenn Brunner bei den Reformatoren einen |366|doppelten Begriff der imago” dasein lässt, „der eine, der (als ‘Rest’) mit der humanitas identifiziert wird, der andere, als die völlige, die justitia originalis heisst”. Hier sind zwei Dinge übersehen. Zum ersten, dass es doch nicht richtig sein kann, den „Rest” der imago dei, wie dieser bei den Reformatoren vorkommt, als einen „Begriff der imago” darzustellen und dann so mit einem zweiten „völligen” Begriff der imago (iustitia originalis) zu koordinieren. Hinter jedem Sprechen von einem „Rest” liegt ja doch eine Lehre über die imago selbst, von der ein „Rest” geblieben ist, nach dem Fall. Und zum zweiten wird hier übersehen, dass von alters her über das Bild Gottes zwischen Lutheranern und Calvinisten eine Meinungsverschiedenheit bestand. Die lutherische Theologie, mehr soteriologisch gefärbt, neigte je länger desto mehr dazu, das Bild Gottes in sittlichem Sinn aufzufassen. „Zwar leugnen die Lutherischen nicht, dass auch das Wesen des Menschen quaedam hgÃ" sive divina ausdrückt, aber das eigentliche Bild Gottes ist nur gelegen in der justitia originalis mit der damit verbundenen immortalitas, impassibilitas, dominium und conditio felicissima . . . Die Reformierten jedoch nahmen von Beginn an auch das Wesen des Menschen in das Bild Gottes auf . . . Calvin . . . sagt ausdrücklich, dass das Bild Gottes bestand in der tota praesentia, qua eminet hominis natura inter omnes animantium species, und dass es weiter, proinde, auch in der integritas besteht”. 109) Und wenn man diesen Unterschied im Auge behält, verschwinden mit einemmale die Gründe für Brunners Verwunderung über die Tatsache, dass diesmal Luther sich von Calvin durch „den negativeren Akzent” underscheidet, und auch über das Quantitative des Begriffes „Rest”. Die Diskrepanz zwischen dem lutherischen und dem reformierten Gottesbild-Begriff musste sich ja doch notwendig auch auswirken in der Lehre beider über den Verlust dieses Bildes durch die Sünde. „Die Lutherischen lehrten ursprünglich, dass der Mensch das Bild Gottes, |367| weil allein in den sittlichen Eigenschaften bestehend, ganz verloren hatte . . . aber die Reformierten erhielten aufrecht, dass das Bild Gottes in engerem Sinn zwar verloren und in weiterem Sinn ganz geschändet und verdorben, aber doch nicht vernichtet worden war”. 110) Man braucht sich über den quantitativen Rest-Gedanken bei der reformierten Theologie nicht zu wundern, denn dieser „Rest-Gedanke” ist nach ihr auf den ganzen Kosmos, auf alles, was in der Geschichte auftritt, anwendbar; die gratia communis hat das Fortwirken der Sünde nach Calvin gemässigt, dadurch dass Gott nach dem Sündenfall nicht sofort das angedrohte Urteil vollzog, sondern zwischen Fall und Urteil die ganze Geschichte eintreten liess, die anfänglich das Urteil verzögerte, den Fluch hemmte, die Deteriorisierung der Natur einschränkte, und selbst positiv Platz reservierte und bereitete für die Heilsgeschichte, für den „jôm Jahwe”, der bei dem Protevangelium beginnt und der erst in der Parusie Christi sein Ende nimmt. Man kann den Reflex dieser calvinistischen Auffassung denn auch in ihrer Theorie vom „Anknüpfungspunkt” finden. Während sie ja doch einerseits aufrecht erhält (Canones Dordraceni, 1619), ohne Wiedergeburt (in engerem Sinn: Einpflanzung eines neuen Lebens) sei Glaube unmöglich, wird andererseits für die vocatio externa (durch das Wort Gottes) ein doppeltes Requisit gefunden in der mit der Lehre der gratia communis zusammenhängenden Auffassung, das Bild Gottes habe noch einen „Rest” zurückgelassen, und weiter in der Lehre der revelatio generalis. Beide Fäden laufen in der confessio belgica zusammen, die zweimal konstatiert, der „natürliche Mensch” sei inexcusabilis (cf. Röm. 1, 20: •<"B@8`(0J@H). Das erste Mal geschieht das in Art. 2, das zweite Mal in Art. 14. Art. 2 sagt: duobis modis eum (sc. Deum) cognoscimus: primo per creationem, conservationem, atque totius mundi gubernationem: quandoquidem is coram oculis nostris est, instar libri pulcherrimi, in quo creaturae omnes, magnae minoresque, loco characterum |368| sunt, qui nobis Dei invisibilia contemplanda exbibent: aeternam nempe eius potentiam et divinitatem . . . (Röm. 1, 20). Quae omnia ad convincendos et inexcusabiles reddendos homines sufficiunt (hiernach folgt die Erkenntnis durch das Wort, das longe manifestius et plenius Gott erkennen lässt, man achte auf die comparativi). Und Art. 14 schreibt (direkt über das verlorene, aber im Rest bewahrt gebliebene Bild Gottes): praeclara illa omnia dona, quae a Deo acceperat, amisit (sc. homo). Adeo ut ipsi tantum exigua quaedam illorum vestigia remanserint: quae tamen ad reddendum eum inexcusabilem sufficiant. Achtet man darauf, dass nach dieser calvinistischen Theologie die Schuld (die absolute inexcusabilitas) bereits prinzipiell in der Erbsünde als Schuld festliegt, dann ist es deutlich, dass die hier gemeinte relative inexcusabilitas auf die Verantwortlichkeit hinzielt, die in der Geschichte dem homo lapsus nicht nur geblieben ist, sondern auch im Hinblick auf das Eintreten der revelatio und der Heilsgeschichte mit neuer Schwere auf ihm lastet, sofern er nämlich mit der (neuen) vocatio externa durch das Wort zu tun bekommt. Hier muss also gemeint sein, dass alle Offenbarung eine gewisse perspicuitas hat, die revelatio generalis schon, die specialis umso mehr; dass auch der Evangeliumsinhalt perspicuitas hat, weil, wenn er diese nicht hätte, das auf Torheit schliessende Urteil der Hellenen und das Fallen der Juden über das Skandalon relativ entschuldbar sein würde.

In dieser calvinistischen Theorie ist also die perspicuitas revelationis ein Eckstein, auch hinsichtlich des Anknüpfungspunktes. Brunner jedoch nähert sich ihr, bleibt aber vor der Grenzlinie stehen. 111) Dafür ist übrigens auch seine |369| ganz andere Auffassung von „dem Wort Gottes” verantwortlich. 112)

Ist Brunner selbst in diesem Punkt bereits unsicher, umso bedeutungsvoller wird dies noch, wenn man sodann K. Barth sich gegen ihn wenden sieht. Ebenso wie wir Barth, im Gegensatz zu seinen Mitarbeitern, in bezug auf die bereits besprochenen Punkte immer wieder auf den Radikalismus der ersten Periode zurückgreifen sahen, so ist es auch hier. „Als dem Menschen qua Geschöpf eigene Möglichkeit für Gott, ist das ‘Ebenbild Gottes’ nicht nur . . . mit Ausnahme einiger Restbestände zerstört, sondern vernichtet”. Der Mensch hat die recta natura, aber diese hat keine rectitudo, auch nicht potentialiter. Es gibt nur einen Anknüpfungspunkt: „das durch Christus vom wirklichen Tode zum Leben erweckte und so ‘wiederhergestellte’” Ebenbild Gottes, „die neugeschaffene rectitudo”, . . . „nur im Glauben wirklich”. Anthropologie und Philosophie haben hier, nach Barths Meinung, dem Theologen nichts zu geben. 113) |370| Denn hier ist nichts „angeboren” oder „zugewachsen”. 114)

B. Aus dem Vorhergehenden wurde uns klar, dass die Gruppe, die, wenn auch unter Protest ihrerseits, als „die Schule der dialektischen Theologie” bekannt ist, sich in bezug auf das Paradox gar nicht einig ist. Und das gerade, wo es die Grundbegriffe, die Voraussetzungen des Paradoxons betrifft. Nicht nur hinsichtlich des Anknüpfungspunktes, sondern auch schon in der Existenzfrage ist die dialektische Theologie mit sich selbst uneins, man findet bei ihren Vertretern als Gruppe und auch, wenn man jeden von ihnen für sich selbst betrachtet, auseinandergehende Tendenzen. Von einer „Entwicklung” zu sprechen, wäre hier vermessen, denn dann dürften die Widersprüche nicht bestehen und es müsste nicht noch immer auf die alten Axiomata zurückgegriffen werden. Vielmehr ist diese Unsicherheit eine typische Wiederholung dessen, was wir in Kierkegaards Selbstwidersprüchen bemerkten. Und stellt man das Paradox der dialektischen Theologie neben die anderen paradoxalen Strukturen, die wir bereits fanden, dann ist bei ihr die Verwirrung offenbar ebenso gross wie woanders. Eigentlich ist uns bis ietzt allein beim Zen-Buddhismus eine ruhige, sich selbst gleichbleibende Entwicklung eines Paradoxon begegnet; aber da war das Paradoxon denn auch nicht mehr als ein technisches Hilfsmittel, das eben darin und dadurch über sich selbst hinauswies.

Wir sehen denn auch von jedem Versuch ab, „die” Stelle „des” Paradoxon bei der dialektischen Theologie zu bestimmen. Zu glauben, davon könne noch die Rede sein, wäre ein Kapitalfehler. Im Anfang war dies zweifellos möglich; Barths Römerbrief mag denn auch selbst noch hie und da Verschiedenheiten vorbringen, trotzdem ist hier das Paradoxon in grossen Linien vom „unendlichen qualitativen Unterschied” beherrscht, der Kierkegaard so sehr ergriffen hat. Aber die späteren Publikationen gehen nach verschiedenen Richtungen. |371|

1. Anfänglich, in der ersten Periode, war das Paradox, wenigstens der Absicht nach, absolut und objektiv. Christus hiess das Paradox, das Ende der Zeit. Das Gesetz, so hiess es, spricht sein ewiges Nein; wer „Paradox” sagt, der sagt Nein, Ewigkeit, Wunder, das Unmögliche, Grenze, das, „von dem alles direkt anschauliche Sein, Haben und Tun des Menschen umgrenzt, in Frage gestellt und letztlich — bejaht und begründet ist”. 115) Ganz in Uebereinstimmung damit hiess Offenbarung auch Verhüllung oder Unkenntlichmachung und wurde alle Immanenz verworfen. Die „geschichtliche und seelische Seite” der Wahrheit hiess „immer ihre Unwahrheit”; Erlebnis war hier „das was nicht unser Erlebnis ist”, Religion war „Aufhebung unsrer Religion”. Aufhebung wurde Setzung, Setzung Aufhebung. 116) „Fertig”, „gegeben” durfte nichts sein, nichts heisse, so lautete das Gebot, „unser”; wir können nur „hoffen”, „warten”, bringen es nicht weiter als zu einem „Hohlraum”, einem „Hinweis”, Negation unserer Position; der Ort hier, so sagt Barth, ist überhaupt kein Ort, Mitteilung ist hier Schweigen. Und in dem Ueberfluss von Barths bildreichen Wendungen wurde Schweigen hier gleich mit „Zurückstossen”, Krisis. 117) Man erkennt hier das kierkegaardsche Paradox wieder, das in seinen Grundzügen zurückkehrt. 118) Das „Ja”, aus dem das „Nein” über den uns bekannten Menschen gesprochen wird, war in sich eine „Vernichtung alles Ja und Nein, alles Diesseits und Jenseits, alles ‘Sowohl-als-Auch’, aller Dualitäten, Allogenitäten und Antinomien”. 119) Das Reich Gottes fängt an „jenseits aller als . . . Konservatismus und Radikalismus, Physik oder Metaphysik, Moral oder Uebermoral, Weltfreude oder Weltschmerz, . . . aller |372| als dies und das, so und so aufzufassenden menschlichen Möglichkeiten”. 120) Gott wird nur sub specie mortis anschaulich, nur sub specie mortis leuchtet in den Dingen die Herrlichkeit des Schöpfers. 121) Was paradox ist, kann nur in „kräftigen Negationen” verkündet werden. 122)

In dieser ersten Periode ging es also um „die wirkliche Paradoxie des endlichen wirklichen Verhältnisses von Gott und Mensch”, 123) um das dialektische Verhältnis von Zeit und Ewigkeit, von "Æã< @âJ@H und "Æã< :X88T<. 124) Wenn Paul Tillich dem „kritischen Paradox” der dialektischen Theologie (Barth, Gogarten) sein „positives Paradox” gegenüberstellen will, weil bei Barth-Gogarten „die gesamte Geschichte ein negatives Vorzeichen erhält”, und es auf diesem ihrem eigenen Standpunkt nach ihm doch eigentlich unlogisch ist, Christus als den Ort der Offenbarung zu betrachten, (was sich ja doch deckt mit dem Suchen einer „Position in der Geschichte”, „auf die sich die Verkündigung der Krisis gründet”), 125) dann lehnt Barth diesen Vorwurf von Inkonsequenz und dieses Streben nach Emendation ab. Nur dann behält man ja doch, sagt er, die Paradoxie des „positiven Paradox” im Auge, wenn man zwar, wie Barth buchstäblich sagt, Christus „das positive Paradox” nennt, aber dann dabei unerbittlich an der These festhält, die Qualifikation dieser Geschichte als Heilsgeschichte (als Geschichte von der Menschwerdung Gottes) sei auf der ganzen Linie verhüllt „durch den Aspekt |373| anschaulicher historischer Relationen, die an sich nichts anderes ‘sind’ als Möglichkeiten des Aergernisses”. 126)

2. Doch zeigen sich auch in dieser ersten Periode bereits Symptome von Unsicherheit. Das soeben gehörte „auf der ganzen Linie” wird in seiner Prägnanz tatsächlich schon preisgegeben durch die These: „das Wort Gottes ist Geschichte geworden; aber es hat keine Geschichte”. 127) Zu gleicher Zeit aber wird dem „Positiven” von Barths Paradox doch, recht betrachtet, der Boden entzogen, und es also seiner Positivität, wie diese hier in Frage steht, beraubt, wenn nämlich Gott „der Sinn, das Letzte, der Tod in diesem Tod” (sc. von Chr.) genannt wird, Gott „als die jenseits des Todes dieses Lebens liegende und darum nur im Gleichnis des Todes zu veranschaulichende neue (unmögliche) Möglichkeit des Menschen”. 128) Um die „Paradoxie” des positiven Paradox zu akzentuieren, wird seine Positivität verwischt. Diese Nebelhaftigkeit des „Positiven” in Barths Paradoxie wird noch leichter wahrnehmbar, wenn man darauf achtet, dass der „positive Punkt” oder das „positive X”, das „mich erkennt” und „von wo aus ich negiert, als ‘alter’ Mensch rekognosziert bin”, mich in Christus mit sich „identisch” sein lässt. 129) Hier zeigt sich, dass die soeben vernommene Behauptung eines „positiven Paradox” eigentlich nicht mehr bedeutete, als eine Abbreviatur für die Behauptung, dass das „Ja”, woraus das gegen „mich” gewandte „Nein” „stammt” und das „in sich die Verneinung alles Ja und Nein . . . ist”, selbst positiv gedacht wird. 130) Tatsächlich war denn auch Barths |374| Einverständnis mit Tillichs Qualifikation von Barths Paradox als „positiv” eine erste, wenngleich nicht bewusst erkannte Kapitulation. Damit parallel läuft Gogartens gegenüber Hermann Herrigel abgelegtes Bekenntnis, er habe ein offenes Auge für die Gefahr, dass bei der dialektischen Theologie Gott und Mensch „gänzlich inhaltsleere Grössen” werden würden, dass also schliesslich diese beiden doch dadurch identisch gemacht würden und die „wirkliche Paradoxie des endlichen wirklichen Verhältnisses von Gott und Mensch” also hier doch verloren gehen würde, weshalb denn auch Gogarten sich dadurch „immer und immer wieder zur Revidierung seines ganzen Denkens veranlasst” sah. 131) Die Gefahr „inhaltsleerer Begriffe”, und das noch dazu bei so starker Betonung der „Sphäre der ‘Existenz’”, 132) — das ist wohl eine deutliche Zeichnung der wankenden Situation. 133)

3. Es nimmt denn auch nicht Wunder, dass in den paradoxalen Wein allerlei Wasser gemischt wurde. Oder auch, dass auch schon in bezug auf das Verhältnis von Gott und Mensch von „Paradoxie” gesprochen wurde in anderem Sinn, als es sich mit dem „qualitativen Unterschied” vereinigen liess. Oder auch, dass bei genauerer Detaillierung oder wissenschaftlicher Unterscheidung dem Radikalismus der ersten Periode die scharfe Spitze abgebrochen wurde.

Das erste sehen wir z.B. geschehen, wenn Barth, und zwar bereits i.J. 1923, die „Krisis” „nicht an sich Negation und also ‘Verbot’, sondern Warnung allerdings, aber vielleicht auch Mahnung” heissen lässt, und dann fragt, warum diese Krisis „nicht gegebenenfalls Position und |375| Gebot bedeuten können soll, für den ‘Dialektiker’ wie für andre Sterbliche.” 134)

Das zweite macht sich bemerkbar, wenn z.B. Brunner (E.) B"D *`>"< nennt, „was jenseits aller empirischen Möglichkeiten liegt”, und diese Paradoxie zum Ausdruck macht „jenes Urgeheimnisses . . . dass alle Ideen auf ein letztes Reales hinweisen, das im Sinn erscheint, auf . . . einen Redenden, einen Gesetzgeber, . . . eine Persönlichkeit, . . . mit der wir verstehend in reale Verbindung treten können”. Das Verwunderliche dabei, vom Standpunkt immanenter Kritik aus, ist nicht so sehr, dass Brunner, um doch nur den „Augenblick” behalten zu können, und um alles Prozessartige weiterhin vom Glauben fernhalten zu können, dies „Verstehen” ¦< •J`:å ausserhalb der Zeit stelit, weil „in der Zeit Einheit unmöglich ist”, denn dieser Gedankengang ist, abgesehen von seinem Begründungsversuch, 135) konsequent. Sondern dies ist verwunderlich, dass dieses ¦< •J`:å Verstehen des Glaubens, der seinen „Sprung” tut, hier auf eine Linie mit „jedem Akt des Geistes” gestellt wird, denn „jeder Akt des Geistes ist eine Durchbrechung der Kausalität durch die Freiheit”, und ein „Einbruch der Ewigkeit in die Zeit”. „Das Verhältnis des Geistes ist immer ein negatives: Aufhebung”. Hier ist tatsächlich jeder, auch „natürliche”, Geistesakt mit dem Glaubensakt in eine Reihe gestellt, und die Durchbrechung der Zeit nicht dem „verurteilenden” Gott, sondern dem „freien” (!) Geist vorbehalten, und zwar unter Verweisung auf Bergsons „durée réelle”, |376| wenn auch dieser Begriff bei Brunner von psychologistischen „Flecken” theoretisch befreit ist. 136)

Und das dritte, wovon soeben gesprochen wurde, zeigt sich uns, wenn z.B. Brunner die schon oft hier zitierten „Juden und Griechen” aus 1 Kor. 1 und 2 auf solche Weise von einander zu unterscheiden beginnt, dass bei ihm — und dies im Unterschied von Kierkegaard (siehe III, § 6) und Barth 137) — wieder für die paulinische Unterscheidung zwischen Juden und Griechen (vgl. III, § 6) Verständnis aufkommt. Die Folge davon ist, dass durch Brunner hier die für die dialektische Theologie wichtige, aber leider nicht weiter durchgeführte Konzession gemacht wird, dass „das eigentliche Aergernis nicht das theoretische Paradox, sondern die sittliche Demütigung” ist. 138) Diese Abgrenzung von Aergernis gegen Paradox hat den Vorteil, dass die Frage aufgeworfen wird, ob nicht hinter der Auflehnung der „natürlichen” Vernunft gegen den Inhalt des Wortes Gottes die Hybris des „Herzens” des nicht wiedergeborenen Menschen zu suchen ist, sodass alles Empfinden der Wahrheit als paradox sensu eminentiore tatsächlich auf einen Konflikt nicht mit „der” Vernunft, sondern mit dem (biblisch aufgefassten) „Herzen” als Lebens-Zentrum zurückgeführt werden müsste. In diesem Zusammenhang hat es zweifellos seine Bedeutung, das Brunner den Glauben nachdrücklich von dem „selbstmörderischen sacrificium intellectus” unterscheidet und ihn die Verneinung nicht der Vernunft als solcher, sondern ihrer Anmassung nennt. 139) Eine Bemerkung die auch bei Barth hie und da zum Vorschein kommt. 140) |377|

Alle solchen Selbstkorrektionen haben jedoch nicht mehr zu bedeuten als flüchtige Ansätze. Unaufhörlich zieht man sich doch wieder auf die alten Stellungen zurück. Barth z.B. lässt seine anfänglich durch „das Wort”, „die Offenbarung” ohne weiteres, ponierte Unterscheidung zwischen Geschichte und Urgeschichte später mit einer neuen, hypothetischen 141) zwischen Wort und Urwort parallel laufen. 142) Und Brunner nimmt tatsächlich seine soeben an den Tag getretene Koordinierung des „verstehenden” Glaubensaktes (im „Sprung”) mit jedem Akt des Geistes doch wieder zurück, wenn er später 143) erklärt, allein im Glauben mache der Mensch in seinem „sich Verstehen” das Verstehen zur „Tat”, und wenn er das „Paradox des neugeborenen-personhaften Willens” so interpretiert, dass die neue Person als solche ein „das ganze Sein des Ich betreffendes Geschehen ist”.

4. Fassen wir also das unter 1-3 Gesagte zusammen, dann ist das Resultat, dass das „Paradox sensu emmentiore” (Kierkegaard, unendlich qualitativer Unterschied) zwar in grossen Linien übernommen ist, aber doch nirgends vollkommen konsequent durchgeführt ist. Hiemit ist natürlich nicht beabsichtigt, darüber zu klagen, dass es nicht zu einer paradoxalen „Methode” geworden ist, denn dies war nicht die Absicht, 144) und hätte auch nicht in das Ganze dieses Gedankenkomplexes gepasst. Die „unanschauliche Mitte jeweils zwischen zwei Aussagen” hat ja doch, wie behauptet wird, zwar die Wahrheit „zur Stelle”, aber: a) Barth selbst weist darauf hin, dass doch mit der dialektischen Methode an sich noch nichts gewonnen ist, und b) dies ist auch wohl deutlich, solange diese Theologie keine eigene Logik gegeben hat um uns zu sagen, was sie |378| vom Gegensatz denkt, m.a.W. zwischen welchen Enantiologien überhaupt die Stelle der Mitte zu suchen sein wird. Nein, wir meinen nur, dass auch in der ersten Periode nach einer radikalen Struktur des Paradoxes von Zeit-Ewigkeit, Gott-Mensch usw. nur gesucht worden ist, aber ohne dass sich auch nur eine einzige Periode aufzeigen lässt, worin sich die Gedanken der dialektischen Theologie, auch in dieser Hinsicht, nicht widersprochen haben. Mit Schmidt eine erste Periode „logischer” Dialektik bei Barth gegen eine zweite „ontologischer” Dialektik scharf abzugrenzen, als ob man zwischen beiden eine historische Scheidelinie aufzeigen könnte, geht auch noch zu weit, denn die Begriffe sind nirgends zu einer einheittichen Struktur oder Dialektik aufgebaut oder zusammengefügt. Die von K. Nadler 145) gezeigte und von K. Plachte 146) betonte Gefahr, dass die dialektische Theologie die Paradoxie,des Glaubens mit dem Absurdum der Vernunft verwechseln würde, ist zwar bei ihr nirgends ganz überwunden worden, aber sie hat sich ebensowenig in ihrer vollen Kraft geltend gemacht.

5. Uebrigens wird in diesem Kreis auch von „Paradoxie” gesprochen, ohne dass die Relation Gott-Mensch usw. in Frage steht. Es ist da bei Barth die Rede von einer „kommenden Einheit” der „Kontraste”, von „Ja und Nein” der „menschlichen Dinge” und diese Einheit wird als „kommende” erkannt „im Widerschein des Lebens Jesu”. Diese Einheit ist „keine andere als die Einheit . . . Gottes”. Denn was Gott betrifft, das „Paradox” seiner Gerechtigkeit z.B. liegt in der „Identität zwischen seiner zürnenden Heiligkeit und seiner freisprechenden Barmherzigkeit”. „Die Einheit des göttlichen Willens spaltet sich zur Zweiheit, um sich in der Ueberwindung dieser Zweiheit um so siegreicher als Einheit zu erweisen.” 147) Hier ist also die Paradoxie auf Gott bezogen, nach seinen „opera immanentia” |379| sowohl als „exeuntia” betrachtet, um in der Sprache der alten Dogmatik zu sprechen. Es wird sogar eine Analogie dieser Paradoxie in den „menschlichen Dingen” gesehen. Der Begriff „Paradox” ist also hier auf je eines der Glieder der Dualität Gott-Mensch usw. übertragen. So macht es auch Brunner, indem er von dem Paradox der Einheit von Freiheit und objektiver Notwendigkeit spricht, oder von der paradoxen Tiefe der christlichen Auffassung des Bösen (Ichbewusstsein und Gottesbewusstsein als Voraussetzung der Sünde) usw. 148) Jedoch auch hier fehlt wieder die strenge Durchführung der Paradoxie; denn wir „stecken tiefer im Nein als im Ja” und in Gott „steckt”, um so zu sprechen, das „Ja” tiefer als das „Nein”. 149)

6. Tatsächlich kommen all die inneren Schwachheiten des Paradox-Begriffes der dialektischen Theologie zusammen und flüchten sich vor ihrer eigenen Selbsterkenntnis, wenn schliesslich der Weg nach dem Paradoxon des „Ich-Du-Verhältnisses” eingeschlagen wird. Dies wird klar, wenn man sowohl auf die Art und Weise achtet, wie dieser Begriff in der Diskussion langsam aufkommt, als auf seinen Inhalt.

a) Was das erste betrifft: man bekommt den Eindruck, dass das „Ich-Du-Verhältnis” — aufgefasst natürlich nicht in dem. von Barth bestrittenen Feuerbachschen Sinn, 150) sondern als paradoxes Verhältnis zwischen Gott und (angesprochenem) Menschen — doch eigentlich ein Denkentwurf ist, der nachträglich, erst als ungenaue Paraphrase, dann |380| als theoretische Korrektur an dem absoluten Zeit-Ewigkeit-Paradox, entstanden ist und von der entgegengesetzten Seite her als der unendlich-qualitative Unterschied konstruiert worden ist. Die Paradoxie des „unendlich qualitativen Unterschieds” sieht Gott zu dem Menschen überhaupt, zu der Welt, der Kreatur, der Zeit, kommen als in Krisis bringende Macht; es handelt sich hier nicht in erster Linie um ein „Ansprechen” des Einzelnen als solchen, sondern um ein Reden gegen ihn, in seinem „Mit-Sein” mit anderen. Zwar bringt nachher die Existenzfrage, und in Verbindung damit die Frage nach Wesen und Inhalt von Glauben, Aergernis etc., den Einzelnen in der Debatte in den Vordergrund, aber, solange die Debatte sich auf den „unendlich qualitativen Unterschied” beschränkt, kann der Einzelne als solcher ausser Betracht bleiben. Bis dahin ist das „Wort Gottes” noch nicht als ein „Anreden” aufzufassen. Sobald das „Wort Gottes” in die enge Begrenzung des Begriffes „Anrede” eingeschlossen werden würde, wäre damit tatsächlich bewiesen, dass die Problemstellung von der Existenzfrage beherrscht wird, m.a.W. dass auf Gottes Sprechen aus des Menschen Hören, bzw. Fragen geschlossen wird.

Tatsächlich nun ist dies letzte bereits der Fall, wenn Barth in seiner Chr. Dogm. das Wort Gottes als Antwort umschreibt. 151) Wir vergessen nicht, dass nach Barth die Frage des Menschen, auf die Gott antwortet, in der Antwort selbst begründet ist. 152) Aber dies ändert nichts an dem Charakter von Gottes Wort als Antwort; das Entscheidende ist für uns hier, dass (weil die Frage immer individuell ist, und an ein „unbewusstes Adventsgebet” der Kreatur oder das „Seufzen der ganzen Schöpfung” nicht gedacht ist) das Wort Gottes als Beziehung zwischen Zweien (Ich und Du) bezeichnet ist. 153) Man bedenke dabei, |381| dass dieses Hervorheben des Ich-Du-Themas zusammenfiel mit der für die Geschichte der dialektischen Theologie so merkwürdigen, und methodisch für ihre Reinhaltung so verhängnisvollen Wahl eines dogmatischen Ausgangspunktes, nicht in Gottes Wort, sondern in der christlichen Rede, der Tatsache der christlichen Rede. 154)

Nachdem so das Wort Gottes als Anrede „zu mir” zu einem persönlichen Ereignis gemacht worden und die klassisch-reformierte Unterscheidung zwischen vocatio externa und interna verwischt worden ist, sieht man in der Folge immer die Theologen dieser Gruppe die soeben besprochene Methode noch weiter anwenden; sie disputieren über Gott vom Menschen aus und schliessen hinsichtlich der Rede Gottes aus dem Standpunkt einer menschlichen Persönlichkeitslehre. Brunner tat dies zum Teil bereits im ersten Beginn der Bewegung, 155) und ist diesem Weg auch weiter gefolgt, was denn auch mit seinem schon erwähnten Standpunkt betreffs des Ineinanders von Anthropologie und Theologie vereinigt werden kann. Eigentlich wird der Glaube an das „Person-Sein Gottes” festgekettet an und indirekt konstruiert aus der persönlichen Beziehung von Anreden-Hören, die zwischen Gott als Person und Mensch als Person gegeben ist in Gottes Wort: Ich-Du. 156) Sonst bekommen wir es mit einem „Ding”, nicht mit einer Person |382| zu tun, sagt Brunner, 157) und damit verrät er unwillkürlich, dass der Gottesbegriff hier nicht — wie die klassische calvinistische Theologie dies tut — auf der Offenbarung aufgebaut wird, sondern dass Gottesbegriff und Offenbarungsbegriff in dem sie beide „erzeugenden” menschlichen Geist sich gegenseitig an einander aufrichten. Wie scharf die Methode des dogmatischen Aufbaus bei Brunner hier von der Methode der von der Offenbarung ausgehenden Denkweise der klassischen reformierten Theologie abweicht, wird u.a. deutlich, wenn man darauf achtet, dass bei ihr die termini der Offenbarung nie unter dem Gesichtspunkt der Empfangsmöglichkeiten des hörenden Menschen festgestellt werden. „Personhaft” spricht, nach ihr, Gott schon innerhalb der Trinität (opus immanens), personhaft spricht Er, auch ohne dass er noch irgendeine Anrede tut, wenn er die Welt schafft (opus exeuns), und personhaft bleibt Sein Sprechen immer, weil Er Gott ist, sei es, dass Er den Menschen in „Anrede” zu sich rufen will oder nicht. „Person” wird nach ihr der Mensch denn auch nicht wie bei Brunner, in und durch Gottes „Anrede”, sondern in und durch Gottes Schöpfungswort über ihm, vermöge kreatürlicher Urbindung, die nie zu brechen sein wird, auch nicht durch die Sünde. Dass es je zu „Anrede” kam (status rectitudinis), und, nach dem Fall, wiederum dazu kam, ist Frucht eines freien Beschlusses von Gott, welcher Beschluss nicht das Person-Sein des Menschen „schafft”, sondern an das anfänglich ohne Anrede geschaffene Person-Sein des Menschen appelliert.

Darum ist auf dem Standpunkt dieser reformatorischen Theologie das Wort Gottes als opus exeuns nicht primär ein Ich-Du-Verhältnis. Denn es kommt zu der Person des Einzelnen erst, nachdem es zu der Gemeinschaft gebracht worden ist. 158) Zwar kennt diese Theologie die sehr |383| persönliche „Anrede” Gottes in dem Einzelnen, doch fällt diese mit der vocatio interna efficax zusammen und ist primär eine Handlung Gottes, wobei der Einzelne passiv ist. 159) Diese vocatio interna ist also etwas Neues nach der vocatio externa.

Wir weisen auf diesen Unterschied im dogmatischen Aufbau hin, weil eben daran demonstriert wird, dass die dialektische Theologie in der Methode ihrer dogmatischen Konstruktionen dem nicht entgangen ist, was sie wiederholt Hybris genannt hat. Während dagegen die calvinistische Theologie den bekannten Barthianischen Spruch: Gott ist im Himmel und Du auf Erden, gehorsam angehört hat, dadurch, a) dass sie nichts zu wissen wagte, es sei denn aus Offenbarung, b) dass sie auch von Gott als „Anreder” dadurch so ehrfurchtsvoll auszusagen wusste, er sei im Himmel, der Mensch auf Erden, dass seine „Anrede” (voc. int.) bei ihr als eine creatio „ex nihilo”, und eben dadurch als Anfang eines neuen geschichtlich gefassten Lebens galt. Die Tatsache, dass diese calvinistische Theologie nie den Mut gehabt hat, die göttliche Anrede an den Menschen aus der phänomenologischen Gegebenheit der „christlichen Rede” zu determinieren, beweist, dass sie wenigstens die Paränese in Anwendung brachte, die unmittelbar auf den klassischen Ausspruch über „Gott im Himmel, Du auf Erden” folgt: £yXvm §yrbd ûyhy nk-lv, darum lass eure Worte wenig sein. 160)

b) Im Licht des Obenstehenden fällt das paradoxale Ich-Du-Verhältnis auch dem Inhalt nach ausserhalb des Rahmens der Ur-Axiome der dialektischen Theologie und verliert seine Paradoxalität „sensu strictissimo”. „Persönlichkeit” zu einem göttlichen Attribut zu machen, das ist keine „Hybris” für den, der das Recht dazu längs des Weges |384| logischer Deduktion aus der Bibel ableiten zu können meint; es verrät jedoch bereits ein Fehlen an „Respekt vor Gottes incognito” bei jedem, der diesen Respekt aus denselben Gründen gefordert hat als die dialektische Theologie es tat. Konsequenz ihres ersten Auftretens wäre ja doch kein Ich-Du-Verhältnis, sondern höchstens ein X-ich-(x)Verhältnis. Nachdem nun jedoch das Ich-Du-Verhältnis dazu dienen muss, das persönliche, das wirkliche, das aktuell-und-existentiell-Mitbezogen-Sein-des-Menschen-in-der-Offenbarung an Gottes Persönlichkeit als Korrelat der menschlichen im Offenbarungsvorgang adstruieren, oder es darauf fundieren zu können, ist dies in jeder Hinsicht eine petitio principii; und diese heisst hier unerbittlich: Hybris.

Es ist wahr, Barth weist Feuerbachs Ich-Du-Konstruktion ab, weil dessen These, die wahre Dialektik sei kein Monolog des einsamen Denkers mit sich selbst, sondern ein Dialog zwischen (strikt genommen) „Du und Ich”, in Zusammenhang mit der anderen, „Mensch mit Mensch — die Einheit von Ich und Du — sei Gott”, die Theologie zur Anthropologie mache. 161) Aber wenn Brunner den einen terminus des „Ich-Du”, nämlich das „Ich”, schliesslich in derselben Weise bestimmt wie Feuerbach, und also auch die Gemeinschaftlichkeit des „wirklichen” Lebens des Menschen in den Vordergrund rückt, weil „alles was privat ist, notwendig privatio” ist, 162) dann ist zwar Feuerbachs Apotheose des Menschen 163) hier vermieden, aber es bleibt doch auf dem Standpunkt der dialektischen Theologie selbst eine doppelte Schwierigkeit bestehen: a) dass mit dieser letzten Behauptung Kierkegaards pathetisch-paradoxale Dialektik mit ihrem Privatissimum-Charakter und ihrer Anti-Mediations-Tendenz |385| prinzipiell verleugnet ist, und b) dass dennoch Feuerbach Brunner auf dem anthropologischen Wege halbwegs genommen hat; das „Ich” in „Ich-Du” ist ja doch veranthropologisiert. Und, halbwegs auf diesem ihm fremden Weg stehen geblieben, ist dann Brunner weiter verlegen um seine Position. Einerseits wird ja doch das „Ich” des „Ich-Du” soziologisch gesehen und damit die „Persönlichkeit” auch des menschlichen „Du”, abgesehen von allem Glauben, anerkannt und sogar zur Voraussetzung der soziologischen Ich-Du-Relation gemacht, aber andererseits wird, wie uns bereits offenbar wurde, vom „Glauben” eine solche Umschreibung gegeben, dass die Persönlichkeit allein bei dem Glaubenden, vermöge des „Du”, zu reiner Gestaltung kommt, siehe oben. 164) Oder auch: einerseits tritt innerhalb des göttlich-menschlichen paradoxalen Ich-Du-Verhältnisses das „Paradox der gutgewordenen Person” auf, womit auch wieder tatsächlich das Person-Sein auch des nicht Wiedergeborenen anerkannt wird, 165) andererseits wird, wir zitierten bereits, das wirkliche Person-Sein mit diesem höchsten Ich-Du-Verhältnis selbst unauflöslich verbunden, und es heisst die „Bestimmung zum Ichsein dem göttlichen Du gegenüber” auch eine Bestimmung vom göttlichen Du her. 166)

So ist es klar, dass das Ich-Du-Verhältnis alle die Schwachheiten der dialektischen Theologie in sich vereinigt.

Ein Personsbegriff tritt hier auf (Geschehen!), der nicht anthropologisch entworfen ist, aber deutlich die Spuren von Kierkegaards Existenzlehre trägt, modernisiert im Aktualismus der dialektischen Theologie. 167) Andererseits stellt man die Forderung einer gewissen Anthropologie und eines wirklichen |386| Einführens anthropologischer Elemente. Man schliesst das eine Mal aus dem Du, das andere Mal aus dem Ich. Ein Personsbegriff wird entworfen, der das eine Mal dem nicht wiedergeborenen Menschen adversativ gegenübersteht, und ihm das wahre Person-Sein abspricht, und der das folgende Mal alles Verstehen zum „Geschehen”, zum personhaften „Akt”, zur „Tat” macht. Und schliesslich kommt man vom drohenden „Gott ist im Himmel” via der Ich-Du-Relation zu dem monstrum eines Menschen, der (ohne calvinische Wiedergeburt als nova creatio ¦< •J`:å und –<Thg<) sich einen „direkten Partner Gottes” zu nennen wagt; und dieser darf sich dann, um zu untersuchen, ob er in seinem „Gespräch” mit Gott nun tatsächlich den Jakobskampf mit Gott, oder wohl den Kampf Don Quichotes geführt hat 168) trösten mit der (früher als Hybris verdammten und ohne unparadoxale Lehre auch äusserst bedenklichen) Selbstversicherung, dass er in irgendwelchem persönlichen Ereignis nachsagt, was ihm vorgesagt ist! 169) Also „trotz alles Kampfes gegen die Bewusstseinstheologie geht es um ein Vertrauen zu meinem Vertrauen.” 170)

7. Wir schliessen. Es ist uns nicht möglich gewesen in der dialektischen Theologie und ihrer Paradoxie auch nur einen einzigen feststehenden Orientierungspunkt zu entdecken, weder im unendlich qualitativen Unterschied, noch in der Existenz, noch auch in dem Aktualismus, der im Ich-Du-Verhältnis Gott aktuell zu mir als aktuell gemachter Person auftreten liess. Eine unsichere Theologie, eine unsichere Anthropologie, eine unsichere Bestimmung des Verhältnisses beider. Eine sozusagen zwischen Himmel und Erde gedachte „Dialektik”. 171) Eine Absage an Schleiermacher, die sich |387| jedoch durch wiederholte Konzessionen an ihn entkräftet hat. Eine „Krisis”, die nicht viel mehr bedeutet, als die in jeder Beziehung liberale Tugend der Selbstzucht. Und was das Paradox betrifft: die Kraft Kierkegaards ging verloren, seine Schwachheit behielt die Oberhand. —




1. K. Barth, Vorwort zur engl. Ausg. d. Römerbr., Zw. d. Z., (X, 6). 1932, 478.

2. Kierkegaard. Vgl. Przywara, a.a.O., S. 21 (Grundkategorie); auch Barth in Zw. d. Zeiten, Heft I, S. 3 (Jahrg. I): kein Standpunkt, sondern ein mathematischer Punkt, auf dem man also nicht stehen kann, ein Gesichtspunkt bloss. Vgl. Barth, Das Prob. d. Ethik, i.d. Ggw., Zw. d. Z., Heft II (Jhrg. I). S. 54: es gibt keine via dialectica oder paradoxa (zu Gott von uns aus).

3. Römerbr. 75; E. Brunner, Das Grundpr. d. Phil. bei Kant u. Kierkegaard, Zw. d. Z., Heft VI (1924), S. 45 (Bruch m.d. Immanenz, m.d. Denkmöglichen); cf. Hermann Herrigel u. F. Gogarten, Briefwechsel, Zw. d. Z., Heft VII (1924), 3, ff., 13, ff.

4. Römerbrief 5, 6, 261, usw.

5. a.a.O., 72.

6. a.a.O., 5, 6.

7. a.a.O., 28.

8. a.a.O., 32, 33, 34, (182)., usw.

9. 69, 75, usw.

10. a.a.O., 75.

11. a.a.O., 80, 83, 85, 87, 88, 91, 95, 96, 102, 128, 143, 181, usw.

12. a.a.O., 96/7.

13. a.a.O., 128, usw.

14. a.a.O., 129.

15. a.a.O., 130, 163.

16. a.a.O., 137.

17. a.a.O., 171.

18. Kirchl. Dogm., I, 1, Lehre vom Wort Gottes, München, 1932, 172.

19. Vgl. hier Kap. I, § 2, S. 31 ff., das über Peter Brunner Gesagte. Zwei bedeutende Fehler P. Brunners finden sich schon in Barths Römerbrief vor: a) die Uebers. v. paradox mit „wider den Schein” (Röm. 96, 98, nebenbei wird doxa hier auch „Ehre”) b) die falsche Uebersetzung von Calvins Exegese von Hebr. 11, 1: „nec vero gratia caret antilogiae species”. Brunner übersetzt (Vom Glauben bei Calvin, 160/1): „Aber Gnade ist nicht ohne den Schein eines Widerspruchs” (der Ablativ wird also für einen Nominativ angesehen, gratia; man vergleiche Commentaires de M. Jean Calvin sur toutes les Epistres de l’Apostre sainct Paul, Comm. sur l’Ep. aux Hebrieux, Lion, Seb. Honorati, 1563, p. 573: „au reste l’apparence de contradiction en ce propos a grace”). Diesen Fehler hat Brunner wahrscheinlich entnommen aus Barths Römerbrief, 1924, S. XXII (Vorw. z. 3. Aufl., geschr. Juli 1922). A. Deissmann, Paulus, 2. Aufl., Tübingen, 1925, hebt auch die Paradoxie hervor, 101, 122, 128, und nennt ein Bild das wider die Natur (para tèn physin) ist, paradox; dies ist aber offenbar gemeint im Sinne unseres Typ I. — Was die Verwirrung vor Barth betrifft, hier denken wir namentlich an die Mathematik, und an Kierkegaard.

20. Kirchl. Dogm., a.a.O., 172.

21. Inhalt: denn „Gehalt” wird interpretiert durch „Mitteilung”.

22. a.a.O., 172.

23. a.a.O., 171.

24. a.a.O., 172.

25. So wird jetzt, a.a.O., 172, ein Argument für diese Analyse der Mitteilung Gottes entnommen aus 1. Kor. 13, 12, wo es sich aber handelt um das $8XBg4< des Subjekts, das *4z ¦F`BJD@L ¦< "Æ<\(:"J4 sieht. Aber dass das die Mitteilung empfangende Subjekt in seiner Ausarbeitung des Offenbarungsinhalts und -themas seine (richtigen oder falschen!) Schlüsse daraus inkommensurabel mit dem „Schein” sieht, oder damit vor eine Mauer zu stehen kommt, beweist wohl etwas über sein logisches Verfahren, aber nichts über die Offenbarung, ihren Akt, ihre Mitteilung, und deren termini. Dieses Schliessen (von Barth) aus dem $8XBg4< des Menschen zum loqui Gottes ist eigentlich eine radikale Kritik an seinen elementarsten Gedanken, es setzt nicht nur eine efficacia; sondern auch eine Analogie der Offenbarung mit ihrem Empfang voraus (und wo bleibt der Hohlraum?).

26. z.B. Römerbr., 90: "das Paradox, das sich als ein besonderes Geschehen an das gewohnte seelische Geschehen anschlösse (wenn auch in überbietender Weise, etwa als ‘das Dämonische’) wäre eben darum nicht Paradox”; vgl. Kirchl. Dogm., I, 1, 181.

27. Kirchl. Dogm. I, 1, 171.

28. cf. a.a.O., 257, und hier oben, S. 341, Note 1.

29. Cf. F.K. Schumann, Das Probl. d. chr. Ethik, Theol. Rundschau. II, 6 (1930), 412.

30. Chr. Dogm., 23.

31. a.a.O., 70.

32. a.a.O., 70, 72, vgl. Römerbr. 265 (s. selbst in Frage stellen), 268, 274.

33. Chr. Dogm., 70.

34. a.a.O., 71, 70.

35. a.a.O., 71.

36. a.a.O., 78.

37. a.a.O., 111, vgl. 462 (Taufe, auch Römerbr. 173).

38. Kirchl. Dogm., I, 1, 129, ff., Th. Siegfried, Das Wort und die Existenz, I, Gotha, 1930, S. 36, 250., F. Gogarten, Theol. Rundschau, 1929, S. 70, ff.

39. Chr. Dogm., 49, cf. 454, 462 (über „verantwortlich” = allgemeingültig, 20), Siegfried, a.a.O., 247.

40. Chr. Dogm., 48, 454.

41. ebenda.

42. Ueber „betrachten” in Unterscheidung von „sehen”, Siegfried, 248.

43. Chr. Dogm., 323.

44. Chr. Dogm. 291.

45. a.a.O., 290.

46. a.a.O., 49.

47. a.a.O., 130.

48. a.a.O., 231 (finitum non capax verbi Domini, cf. 250, 479, 480), 409 (unsere Existenz in die radikale Krisis gestellt).

49. Schicksal u. Idee i.d. Theol., Zw. d. Z., VII, 4 (1929) S. 324/5.

50. F. Gogarten, Das Problem einer theol. Anthropologie, Zw. d. Z., VII, 6 (1929), S. 493, ff., 504/5.

51. E. Grisebach, Gegenwart, eine kritische Ethk Halle a.S., 1928, S. 115, 117, 434, 566, 70, 71 („die gesamte dial. Theol. — oder Philosophie? — von K. Barth bis auf Paul Tillich ist eine heimliche Metaphysik des Vorbehalts”). Vgl. in bezug auf Grisebach auch Przywara, Das Geheimnis |348| K.’s, 19, 20, der unrichtig v.e. typischen Aufleben Kierkegaards redet, was im Hinblick auf Gr.’s Trennung v. Absol. u. Ggw. unhaltbar ist, genau so wie seine Behauptung, dass Barth die „letzte Auferstehung K.’s über orthodoxen Calvinismus vollzieht”, 82, worüber später; — in bezug auf die schon erwähnte Diskrepanz zwischen Barth u. Gogarten (was die anthropologische Frage i.d. Theol. anlangt) ist beachtenswert Grisebachs Mitteilung, er habe mit Gogarten gemeinsam sich bemüht, „unsere Grenzen in ‘realer Dialektik’ zu erfüllen und die Wirklichkeit zu erreichen”, und „den Anteil des Denkens und des Glaubens an der Konstituierung der wesentlichen, ethisch menschlichen Wirklichkeit zu bestimmen”, sei aber mit Gogarten zu der neuen Aufgabe gekommen, „die Gegensätzlichkeit des menschlichen Wesens den so bedeutsamen Widerspruch in jeder konkreter Bildung aufzuweisen” (Probleme d. wirkl. Bildung, München, 1923), E. Grisebach, Die Grenzen des Erziehers u.s. Verantwortung, Halle a.S., 1924, S. IX. — Siehe, was Barth anlangt, Kirchl. Dogm. I, 1, 129-135.

52. Kirchl. Dogm., 129. Auch gegen Bultmann: 36, 133, vgl. Siegfried, 248.

53. Römerbr., 33.

54. a.a.O., 62.

55. a.a.O., 72.

56. a.a.O., 73.

57. a.a.O., 51/2, 116, ff., passim.

58. a.a.O., 118, cf. 268 (a.d. Grenze aller geschichtlichen Erscheinungen, Blickpunkt).

59. Kirchl. Dogm. I, 1, 213/4, 241.

60. Römerbrief, 265.

61. a.a.O., 268.

62. a.a.O., 77.

63. Kirchl. Dogm., 216.

64. Kirchl. Dogm., 217.

65. Kirchl. Dogm., 38, 132. 133; cf. Siegfried, 248/9.

66. Kirchl. Dogm., 132-136.

67. Die andere Aufgabe der Theol., Zw. d. Z., VII, 3, 1929, S. 257, cf. 261 (dass der Mensch „nur durch das Wort Gottes das bekommt, was er heimlich sucht” (!), ein Strich durch d. Römerbr. Barths). Mit Barth bleibt Brunner einig in der Ablehnung der „Zuschauerbetrachtung”, 256, und auch darin, dass er beim Existentiellen an e. Totalakt d. Menschen und e. d. Totalität d. Menschen betreffenden Totalakt Gottes denkt, Das Gebot und die Ordnungen, Tübingen, 1932, S. 37, cf. Barth, K. Dogm., 213.

68. Die andere Aufg., usw., a.a.O., 260, ff., 260/1, Note (Gogarten heisst eben in dieser Anthropologie Fortsetzer der Arbeit Kierkegaards; dies ist in soweit richtig, als K. zum Teil das „Aergernis” psychogenetisch analysiert hat, z.B. Krankh. z. Tode, ed. Jena, VIII, 1924: Aergernis ist unglückl. Bewunderung mit Missgunst verwandt, eine Missgunst, die sich gegen den Missgünstigen selbst wendet, 80).

69. a.a.O., 260.

70. Brunner selbst legt hier eine Verbindung, a.a.O., 261/2.

71. a.a.O., 263.

72. K. Dogm. 36, 38.

73. H. Barth, Philosophie, Theol., u. Existenzproblem. Zw. d. Z., X, 2. 1932, S. 107, Note. „Wie in aller”, — also wieder eine Analogie, ein Herausfallen aus dem Grundaxiom.

74. a.a.O., 107/8; was die „Möglichkeit” anlangt, erinnere man sich der Definition: E. ist konkrete Entscheidung f.e. Möglichkeit, die in dieser Entsch. ihre Verwirklichung erfährt, 105.

75. Religionsph. protestantischer Theologie. Im Handb. d. Phil., Abt. II, München, Berlin, 1927, 12, ff. (Orthodoxie, Rationalismus, pietistisch-romantischer Subjektivismus, Historismus werden angeklagt).

76. K. Dogm. 36.

77. Zw. d. Z., a.a.O., 113.

78. K. Dogm., 19. Zugegeben sei, dass „existentiell” bei Wobbermin eine vielfach andere Bedeutung hat als bei Barth c.s.; aber wenn Wobbermin sich dieses Wortes bemächtigt, so rückt er es doch nicht soweit von seiner urspr. Bedeutung ab, als Barth es mit dem Wort „Paradoxon” getan hat; ausserdem wird die scharfe Trennungslinie zwischen W. u. d. dial. Theologen an immer mehr Stellen durchbrochen.

79. H. Barth, a.a.O., 107.

80. Römerbrief, 43, 144, 155, 159. H. Vogel, Die Dialektik d. Predigt, Zw. d. Z. (VII, 2), 1929. S. 11718, hat das {dia” in Dialektik gefasst als „zwischen, im Abstand von” (cf. Th.L. Haitjema, Bedenkelijke Calvijninterpretatie, Nieuwe Theol. Studien, XIII, 4. u. dem gegenüber K. Schilder, Prof. H. jongste Probleemverschuiving, De Reformatie, Goes, Mai 1930. Auch mit Vogels Auffassung lässt sich H. Barths Meinung nicht verbinden.

81. H. Barth, a.a.O., 108, 111, 112, 114, 115, 116.

82. a.a.O., 108, 109.

83. Römerbrief 265, 268, 274, cf. 272 (alle Prädikate, auch der Identität mit sich selber, aufgehoben).

84. a.a.O., 107. „Formal”, sagten wir; so auch E. Brunner, Die Frage nach d. „Anknüpfungspunkt” als Probl. d. Theol., Zw. d. Z., X, 6, 1932, S. 526, Note, „das Formale der humanitas”.

85. H. Barth, a.a.O., 119.

86. a.a.O., 117.

87. a.a.O., 116/7.

88. K. Barth, Kirchl. Dogm., 257, vgl. Schicksal u. Idee i.d. Theol., Zw. d. Z., VII, 4, 1929, 324/5.

89. K. Dogm., 39.

90. vgl. Schicksal u. Idee, usw., 325.

91. E. Brunner, Die Frage nach d. „Ankn.”, usw., 526, Note.

92. Brunner, a.a.O., 529.

93. Vergessen darf man nicht, dass Brunner ausdrücklich hervorhebt, dass der Mensch als ganzer „nur vom Wort Gottes her verstanden werden kann”, a.a.O., 426, Note, vgl. dazu K. Barth, K. Dogm., der anerkennt, dass der phil. Existenzbegriff H. Barths, „nur rückblickend (von der geoff. Wahrheit her), rekapitulierend, nicht antizipierend . . . zur Gotteserkenntnis sein will”, 39. — Brunner, a.a.O., weist hin auf das von Heidegger aufgedeckte Wissen des schlichten Menschen u.a. „von Tod u. bösem Gewissen”, und konstruiert von da aus seine oben gezeigte Theorie. Wenn man aber an Christi Wissen um seine Auferstehung und an seine Sündenlosigkeit denkt, und bei Heidegger liest, dass das Sterben hinsichtlich seiner ontologischen Möglichkeit in der Sorge gründet (Sein u. Zeit, 252, vgl. 191, das Sein des Daseins als Sorge), so wird Barths Bemerkung, es gebe einen Weg von der Christologie zur Anthropologie, nicht aber einen Weg von einer Anthropologie zur Christologie (K. Dogm. 135) als Abwehr gegen Gogarten (u. auch Brunner) recht unzureichend: man wird entweder sowohl Anthropologie als Christologie aus einem (gläubigen) „Standpunkt” aufbauen müssen (um dann zwischen beiden Verbindungswege liegen zu sehen, vice versa), oder die anthropologisierenden Tendenzen der heutigen dialektischen Theologen haben, bevor man es weiss, antizipierend die Christologie mit der Anthropologie verschmolzen. Die Warnung K. Barths muss radikaler werden, oder sie geschieht vergebens.

94. Brunner, a.a.O., 531.

95. Brunner, a.a.O., 1932, 506.

96. Brunner, Die andere Aufgabe der Theologie, Zw. d. Z., 1929, (VII, 3), S. 262.

97. Frage n. d. „Ankn.”, 507 (man beachte das „creatus ad (nicht secundum) Deum”.

98. a.a.O., 508 (Parallelie mit Bultmann), 510. Vgl. (hier) Kap. IV, § 2.

99. Andere Aufg. d. Th., 262.

100. Frage nach d. „Ankn.”, 510-512.

101. a.a.O., 525, 526.

102. a.a.O., 521, 522.

103. a.a.O., 521.

104. Der Mittler, Tübingen, 1927, 112, 136/7.

105. Frage n. d. „Ankn.”, 514-517.

106. a.a.O., 518.

107. a.a.O., 520, 523. In bezug auf diesen „Restgedanken” sei nebenbei erinnert an Reisner, Kennen, Erkennen, Anerkennen, 1932, Schwerin, der auf den „unmöglichen” (Ref. Kirchenzeitung, 83. Jhrg., no. 5, S. 3, art. W. Wiesner) Gedanken v.e. „Existenzrest” gekommen ist (quantitative Bestimmung der Existenz). Vgl. Brunners Kritik an dem quantitativen Ausdruck „Rest” der imago dei; auch (hier) Kap. IV, § 4.

108. a.a.O., 523, Note.

109. H. Bavinck, Gereformeerde Dogmatiek, Kampen, 3. Aufl., II, 589, 590.

110. Bavinck, III, 177.

111. So auch, wenn er schreibt, dass (in der Anknüpfung) „die Kontinuität immer nur das formale Dass, die Diskontinuität aber immer das Inhaltliche Was betrifft”, und daran hinzufügt: „darum, dieselben Wörter, aber zugleich: omnia vocabula in Christo novam significationem accipiunt”, 525. Dagegen Calvin, Opera, Corp. Ref., 48, 251: facit tamen ut verbi externi et arcanae spiritus virtutis consensum electi omnes in se sentiant. Später wird noch hier zu erörtern sein, dass nach Calvin die Offenbarung „inexcusabilem reddit”, also die Kontinuität der Sprache voraussetzt, und benützt; gegen die |369| „philosophi”, soweit sie dem Glauben keinen Platz machen, hat Calvin dies einzuwenden, dass „quidquid . . . oratus refulget in eorum praeceptis” (sc. de moribus!) „perinde est ac praeclara superficies aedificii sine fundamento” (Calv. Op. Corp. Ref., 49. 233). Das ist eine ganz andere Auffassung (cf. 49, 343, über 1. Kor., 2, 13). Für die Reformation war bei der Erörterung der imago (und des Verlustes davon) nicht das Dilemma: Mensch bleiben oder Tier werden („formale Humanität verlieren”, 523) sondern: emporsteigender Mensch sein, oder zum („anknüpfungspunktlosen”) Teufel herabsinken, d.h. unrettbar werden, ohne irgendeinen Anknüpfungspunkt für Gott und Gnade. Und da greift nach dem Fall die Gnade ein, und stellt eine dritte Möglichkeit: der Mensch bleibt Mensch, die Geschichte (Prozess!) umfasst ihn, er ist noch zu „bewegen” zu „retten”, er kann noch „epistrephein” und „metanoein”. Brunner, Das Gebot u. d. Ordnungen, 497, nennt das Formale des Mensch-Seins den generelle Ankn.p., zitiert aber selbst, 580, dagegen Luther.

112. Hierüber später, Kap. IV, Die von Brunner (Gott u. Mensch, 1930 S. 56. Note) aufgestellte Dualität vom Wort Gottes, in dem der M. geschaffen ist, und dem W. G. in Chr., in dem d. Glaubende seine Gottgeschaffenheit neu erkennt, ist, (wie aus dem „in dem” offenbar wird) etwas anderes als die revelatio generalis und specialis der Reformatoren. Revelatio kommt nach ihnen zu der Schöpfung hinzu, als actus post creationem, obgleich z.T. per creata.

113. K. Dogm., 251/2.

114. a.a.O., 257.

115. Römerbrief, 5, 6, 91, 28, 77, 96/7, 99 (cf. 93), passim.

116. a.a.O., 73, 113, 77, 84, 143.

117. a.a.O., 73, 77, 85, 128, 84, 177, 134, 93, 85, 135, 147, 259.

118. a.a.O., 73, passim, 173 (Taufe) „Theol. d. abs. Moments”, 182, 410/1, 423, 258, 302 (existentiell), 142/3, 154 (Augenblick), 165 (Krankh. z. Tode), 116, 122 (Gleichzeitigkeit), usw.

119. a.a.O., 181.

120. a.a.O., 136.

121. 137, 147, 144 (der Tod, oberstes Gesetz dieser Welt), 182 (der Tod, das einzige Gleichnis d. Himmelreichs).

122. a.a.O., 261, 178, 137.

123. F. Gogarten, Zum prinzipiellen Denken, Zw. d. Z., Heft VII, S. 13, vgl. Römerbr., 69, 398.

124. H.W. Schmidt. Zeit u. Ewigkeit, Gütersloh, 1927, 24 (man vergleiche die oratorische, aber in einer Predigt doch immerhin beachtenswerte Wendung: Zeit = entleerte, verarmte Ewigkeit, Ewigkeit = erfüllte Zeit, K. Barth, u. Ed. Thurneysen, Komm, Schöpfer, Geist!, München, 1926, S. 204); Max Strauch, Die Theol. K. Barths, 2. Aufl., München. 17. Römerbr. XIV.

125. P. Tillich, Kritisches und positives Paradox, Theol. Blätter, Nov. 1923 (2. Jhrg., no. 11), 267.

126. K. Barth, Von der Paradoxie des „positiven Paradoxes”, Theol. Blätter, 2. Jhrg, no. 12, Dez. 1923, 293/4.

127. Angef. durch Wobbermin, Das Wort Gottes u. d. evang. Gl., in: „Vom Wort Gottes” (= Deutsche Theol. III. Bd.) hrsgg. v. E. Lohmeyer, Göttingen, 1931, S. 55. Cf. über „Geschichte werden”: Römerbr., 183/4.

128. Römerbr., 186.

129. a.a.O., 181, 178. Vgl. auch G. Kelmscherper, Die dial. Theol. K. Barths im Lichte d. soz.-eth. Aufg. d. chr. K., Berlin, 1928, S. 64. Chr. sei bei Barth das „uns völlig gleiche Symbol”, „auch wir sind das ganz Andere Gottes”, Röm. 265, 10-12.

130. a.a.O., 181.

131. Zum prinzipiellen Denken, Zw. d. Z., Heft VII, 13: vgl. III. Jhrg., H. 1 (1925): Vom skeptischen u. gläubigen Denken (Briefwechsel m. H. Herrigel).

132. Z. pr. Denken, 10.

133. Ueber (Grenz)begriff ohne Inhalt auch: Victor Glondys, Euckens „Wahrheitsgehalt der Religion” und die ggw. Krise der evang. Theol., Die Tatwelt, Jena. Jhrg. VI, Heft 1, Jan.-März 1930, S. 11; cf. A. Liebert, Geist u. Welt d. Dialektik, I. Bd. Grundl. d. D., Berlin. 1929, S. 150.

134. Von d. Paradoxie d. pos. P., a.a.O., 289.

135. Das paulinische ¦< •J`:å wird vergleichenderweise erwähnt, ist aber in 1. Kor. 15, 52 keineswegs ausserhalb der Zeit gedacht. Auch wird mit Bergsons „durée réelle” eine Parallelie gesucht: jene „durée” soll nicht Zeit, sondern Ewigkeit sein, allerdings in psychologistischer Interpretation. Mag es sein, dass Brunner diese letzte beiseite schafft, so ist doch klar, dass hier das Wort „Ewigkeit” seines Krisis-Charakters völlig entkleidet ist. „Die Zeit gehört in die Sphäre der Seele”, 104, diese „Ewigkeit” (durée, Dauer) ist „Ueberwindung der Zeit durch das Identische des Geistes, durch die Ewigkeit des Sinnes”, 102/3. Zeit und „Ewigkeit” stehen in dieser Verbindung, genau so wie „Seele” und „Geist” der „Ewigkeit” der ersten dialektischen Theologie gegenüber. (Brunner, Erlebnis, Erk. u. Gl.)

136. Erlebnis, Erk., Gl., 1923. 102-104.

137. Römerbr. 15.

138. Brunner, Der Mittler, 1927, S. 23.

139. a.a.O., 23.

140. Ansätze im Römerbr., vorsichtig: 412. — Siegfried, a.a.O., 88, verweist auf Chr. Dogm. Prol., 403, wo aber vom sacr. intell. wohl gesagt wird, es sei „uns” unmöglich (man kann nicht „über seinen eigenen Schatten springen”), nicht aber, es sei nicht nötig. Man vgl. jedoch die älteren (Prol. 291) und neueren (s. oben, Existenz) Ausführungen über das „aus sich heraustreten”.

141. E. Schaeder, Das Wort Gottes, Gütersloh, 1930, S. 106.

142. Chr. Dogm. Prol., 45-47.

143. Das Gebot und die Ordnungen, 1932, 146/7.

144. Vgl. A.S. Zerbe, The Karl Barth Theology of the New Transcendentalism, Cleveland, Ohio, p. 7-15: the paradoxical method; Barth selbst hingegen hat eine „via paradoxica” abgelehnt.

145. Käte Nadler, Der dial. Widerspr. in Hegels Phil. u. d. Paradoxon d. Chr.tums, Leipzig, 1931, S. 88.

146. K. Plachte, Symbol u. Idol, Berlin, 1931, S. 6.

147. Römerbr. 1924, 136/7, 168.

148. D. Mystik u. d. Wort, 1924, S. 93, 237.

149. vgl. H.W. Schmidt, Zeit u. Ewigk., 56.

150. „Mensch und Mensch — die Einheit von Ich und Du — ist Gott” (Feuerbach); vgl. K. Barth, Die Theol. u. d. Kirche, München, 1928, S. 217, cf. Chr. Dogm., Prol., 62. Deshalb hat auch K. Heim (Glaube u. Denken, Berlin, 1931, S. 405/6 u.E. kein Recht dazu, „die” Du-Beziehung, das „Mitsein” als einen Gedanken darzustellen, der „seit Feuerbach” die Bewegung von Kierkegaard, über Dostojewski, Overbeck die „Luther-Renaissance” (!) bis zur dial. Theol. als ein elementarisches Ereignis („genau so folgenschwer” wie die Ich-Entdeckung des Idealismus) beherrscht. Denn a) hier ist durchaus keine Einhelligkeit, b) auch in der dial. Theol. ist alles noch unreif in bezug auf diese „Neuentdeckung der letzten Dimension”.

151. Chr. Dogm., Prol., 75-79.

152. a.a.O., 76. Die Existenz des Menschen (konkreten M.!) wird zur Frage, wenn er von Gott und von seiner Beziehung zu ihm reden hört (Predigt); später: wenn er Gottes Ja (eine bestimmte Beziehung) also aus dem Munde Gottes selbst(!) gehört hat, Chr. Dogm., Prol., 72, 76.

153. Chr. Dogm. Prol., 62.

154. Chr. Dogm. Prol., 18, ff.: „Die kirchl. Verkündigung als Ausgangspunkt und Ziel der Dogmatik”, cf. 47: „wir sind im Bisherigen phänomenologisch vorgegangen”. — Siehe auch: K. Barth, Menschenwort u. Gotteswort i. d. chr. Pr., Zw. d. Z. III, 2, (1925) S. 122/3; H.W. v.d. Vaart Smit, Die Schule K. Barths u.d. Marburger Philosophie, Kant-Studien, XXXIV, 314, (1929), 334; G.W. Florowskij, Offenbarung, Phil. u. Theol., Zw. d. Z. IX, 6 (1931), 466.

155. Das Grundprob. d. Phil. bei Kant u. Kierkegaard, Zw. d. Z., Heft VI (1924), 45: Soll das Unmögliche Rettung sein, . . . so . . . müsste es . . . eben nicht sich darstellen, denn dann wäre es ja ein Ding, sondern uns ansprechen . . .

156. E. Brunner, Het Woord en de Wereld (Vorlesungen, London, Glasgow, Edinburg, 1931), übers. v. A.L. Boeser, Amsterdam, 18/9; idem, De Theol. der Crisis (Vorlesungen Lancaster), übers. v. A.L. Boeser, Amsterdam, s.a., 49.

157. Grundpr. d. Ph. bei Kant u. Kierkeg., a.a.O., 45.

158. Die bekannte Stelle aus dem N.T. (das Reich Gottes ¦<JÎH ß:ä<) wird von seiten der dial. Theol. oft gebraucht zur Illustration bei der Existenz-, und Ich-Du-Frage: Gott muss aktuell zu (in) „mir” sprechen. |383| Aber der Ausdruck ist nicht individuell-mystisch (oder existentiell) gemeint, sondern bezieht sich auf die Gemeinschaft, die Masse, zu der objektiv, abgesehen von ihrem Glauben oder Nicht-Glauben, die Offenbarung kam. Vgl. C. Lindeboom. Geref. Theol. Tijdschr., Aalten, XX, 9 (1919/1920), 334, sqq. „Die Kompanie” (Kierkegaard) ist es, worum es sich hier handelt.

159. H. Bavinck, Geref. Dogmatiek, Kampen, 1911, IV, 59, sqq.

160. Pred. Sal., 5, 1.

161. Die Theol. u. d. Kirche, 217, 221, 222, 225.

162. De Theologie der Crisis, S. 2. Man bedenke dass in Erlebnis, usw. 125, das Ich-Du-Verhältnis zwischen Mensch und Mensch noch nur als Analogie des Verh. zu Gott galt, während später das „Ich” als Person sich nur im Verhältnis zum Mitmenschen entfalten konnte, und damit das Verhältnis zurn Mitmenschen zum bestimmenden Factor des Verh. zum Gott gemacht worden ist.

163. Cf. Barth, Theol. u. Kirche, 226.

164. Vgl. auch noch: Das Gebot u.d. Ordnungen, 496: erst durch die doppelte Bezogenheit (Gehorsam, u. verantw. Liebe) auf das Du in seiner Nichtgleichheit mit mir, kann der Mensch wahrhaft persönlich werden.

165. Gebot u. Ordn., 147.

166. a.a.O., 48. In Erl. Erk. Gl., 125, galt „Persönlichkeit”, von Gott ausgesagt, nur als Symbol. Jetzt ist die „Persönlichkeit” Gottes die Grundlage der ganzen Ich-Du-Struktur, damit kein Monolog, sondern Dialog darin behauptet werden kann.

167. Barth. Chr. Dogm. Prol., 295, passim.

168. a.a.O., 296-301.

169. a.a.O., 298.

170. Siegfried, Das Wort u. d. Existenz, I, 1930, 89.

171. Denn wer ist Subjekt des „dialegesthai”, wenn man noch schwankt (Haitjema, Het Woord Gods in de moderne cultuur, Groningen, 1931, 96-99) zwischen verschiedenen Auffassungen von „dia”, und „legesthai”? Ist es der Theologe überhaupt? Theologe A, B, C? Eine communio theologorum? Der Theologe als Glaubender, existentiell, hic et nunc, |387| „augenblicklich”? Die Theologie? Was ist „die” Theologie, wenn man konkret sein will? Haitjema appelliert jetzt an Vogels schon erwähnte Auffassung von „dia” = im Abstand von, kann aber nirgends eine dieser Auffassung wirklich entsprechende dialektische Tätigkeit aufweisen, lässt dabei die Frage offen, was dann vorher die Dialektik bestimmt hat, geschweige denn, dass die Vogelsche Auffassung keineswegs sprachlich eindeutig ist, s. E. Przywara, Amalogia Entis, Metaphysik, I, Prinzip, München 1932, 67, ff., Sannwald, a.a.O. — Wenn man sich erinnert, was Brunner (Erl. Erk. Gl. 102/3) sagte (Durchbr. d. Kausalität durch die Freiheit, wie jeder Akt d. Geistes), und dann bei ihm liest, dass allein beim Glauben der Mensch sich selbst versteht, so fragt es sich, wie weit man hier noch entfernt ist von einer Transponierung der Fries’schen Theorie des „Selbstvertrauens der Vernunft” in ein „Selbstvertrauen des Verstehens”.






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