§ 3. Die Wendung auf mathematischem Gebiet.

Zwischen Kierkegaards Philosophie und der Mathematik scheint ein grosser Abstand zu liegen: so gross, dass der Uebergang von Kierkegaard zur Mathematik, auch insoweit es sich um die Begriffsgeschichte des Paradoxons handelt, eigentlich etwas Ueberraschendes hat.

Dennoch gibt es — wie wir sehen werden — verborgene Verbindungsdrähte zwischen einer Philosophie der Antithese „absolut-existentiell” und der Mathematik mit ihrem Unendlich-Endlich-Problem.

Auf mathematischem Gebiet hat sich nämlich viel geändert.

„Calculum vera dicere, & eorum rationes, quae ad repraesentandum proponuntur, ita reddere, ut sunt, nemo est qui dubitet” dieser uns schon bekannte Ausspruch 1) eines Jesuiten (1773) würde in unserer Zeit nicht mehr gehandhabt werden können. Auf der Prager Tagung der Deutschen Mathematiker-Vereinigung (1929) wurde offen durch Heinrich Behmann erklärt, dass ein solches Forschreiten der Mathematik auf dem Wege logischer Folgerichtigkeit nur noch von dem Nichteingeweihten behauptet werden könne. 2) Wenn es auch nur die Als-Ob-Philosophie wäre, die hier Zweifel erweckt, ja leugnet „calculum vera dicere”, so bleibt es doch eine Tatsache, dass dieser Zweifel besteht. Und wie wir sehen werden, hat die Als-Ob-Philosophie |120| auch auf mathematischem Gebiet ihre Anhänger gefunden.

Aus dieser blossen Andeutung wird schon deutlich, dass dann auch auf dem Gebiet der Mathematik (und verwandter Wissenschaften) die Verwendungsgeschichte des Wortes „Paradox” uns vor Schwierigkeiten stellen, muss. Denn das Wort war, auch als terminus technicus, schon lange in der Mathematik bekannt; von ihren Paradoxen und Paradoxien nannten wir schon viele Beispiele. Wir bemerkten zugleich, dass dabei stets nach paradoxfreien Lösungen der Schwierigkeiten gesucht wurde, d.h. die herrschende Strömung in der Mathematik ging auch weiterhin von dem Gedanken aus, der sich uns bis auf Kierkegaard als den herrschenden zeigte, dass das Paradox, genau genommen, galt als ein Ding, das überwunden werden musste. Die herrschende Strömung, sagten wir; denn wohl behauptete u.a. L.E.J. Brouwer im Jahre 1908 die Unzuverlässigkeit der logischen Prinzipia auf dem Gebiete der Mathematik, aber noch 1919 erklärte er selber, dass diese Auffassung damals noch wenige Anhänger gefunden hatte. 3)

In dieses Suchen nach einer widerspruchslosen Mathematik hatte auch Kants Auftreten so gut wie keinen Umschwung gebracht, nicht einmal mit Bezug auf die Nomenclatur: Kants Ausdruck „Antinomie” konnte das schon eingebürgerte Wort Paradoxon nicht verdrängen.

Aber doch hat die Tatsache, dass Kant von „Antinomien” hier grosse Bedeutung. Denn hinter den verschiedenen mathematischen Paradoxa, wie sie von alters her bekannt waren, lagen schliesslich verschiedene Probleme der Logik und Metaphysik, insonderheit die Frage nach Inhalt und Brauchbarkeit des Begriffes des „Unendlichen”. Nun hatte Kant in seiner „Transzendentale(n) Elementarlehre” seine bekannten Antinomien der reinen Vernunft aufgestellt; und in der ersten und zweiten Antinomie hatte er die für die Mathematik ganz besonders kardinalen Probleme: u.a. |121| „ein unbestimmtes Quantum als ein Ganzes”, „das Unendliche”, „die Unendlichkeit einer Reihe”, „die Menge” und „die Zahl”, „Teil und Ganzes” usw. auf die Tagesordnung gebracht, und zwar gerade unter der Ueberschrift: Von den Antinomien. 4) Kants scharfe Problemstellung zwang also die Mathematik, ihre Paradoxe immer wieder aufs neue zu untersuchen, auch in philosophischem Denken, und, besonders in der Infinitesimalrechnung und in den vor- und nach-Cantor’schen Paradoxien des Unendlichen, sich die Frage zu stellen, ob das Denken hier vor eine echte, unlösliche Antinomie gestellt war oder nicht. Von „Durchbrechung von Axiomen und algebraïschen Gesetzen” musste wohl geredet werden, 5) aber wurden die Denkgesetze durchbrochen? Die Frage wurde so dringend, dass Cantor eintrat für eine „freie Mathematik”, „deren Maszstab lediglich die immanente gedankliche Folgerichtigkeit und nicht die Darstellung und Bewährung in irgendeiner transienten objektiven Realität ist”; 6) hier drohte also schon, erst eine Scheidung, bald ein Streit zwischen Logik und Ontologie. Andere zogen sich mit ihren mathematischen Paradoxa hinter die Verschanzung einer „formalen Logik” zurück und behaupteten, dass ferner die „eidetische Logik” mit der Mengenlehre, in der die Paradoxa gerade so quälend wurden, nichts zu schaffen habe. 7)

Bei einem solchen Stand der Dinge war die Frage eigentlich schon berechtigt, ob das doch schon ziemlich ungeschützte Wort „Paradoxon” nicht auch noch seinen letzten Schutz verlor, ob es nicht immer mehr seiner alten Bedeutung (nach der eine logische Absurdität für den Begriff „Paradoxon” absolut nicht konstituierend war) beraubt und tatsächlich für vogelfrei erklärt wurde. Und als bald bei diesem Stand des Problems die Als-Ob-Philosophie innerhalb des Gebietes der Mathematik selbst von dem „Widerspruch im Richtigen” |122| zu reden anfing, 8) um zu versichern, dass nicht nur die bis dahin bekannten Paradoxa, sondern eigentlich alle mathematischen Grundbegriffe bei näherer Untersuchung „innere Widersprüche” enthielten und dass sie „der geltenden Logik ins Gesicht” schlügen, da war der terminus technicus Paradoxon in der Tat ins Chaos geworfen. Stand man vor einem unentrinnbaren Konflikt mit den allgemeinen Denkgesetzen oder nicht? Wenn ja, war das Paradoxon dann Ausnahme oder Regel? War die Mathematik „frei” von einer bestimmten Logik, oder sogar frei zu einer eigenen Logik? Waren die Paradoxa hier verwandt mit wesentlichen, strengen Antinomien, 9) oder ist es ein ganz normales, unumgängliches Werk, zu operieren mit Begriffen, die nicht widerspruchsfrei sind? 10) Die „neue Grundlagenkrise der Mathematik” 11), von der H. Weyl spricht, gab auch auf dem Gebiet der Mathematik den Begriff „Paradoxon” einer allgemeinen Verwirrung preis.

Es ist hierbei jedoch deutlich, dass auf dem Gebiet der Mathematik keine Rede sein konnte von einer so scharf gezeichneten, so akuten Umkehr in der Verwendungsart |123| des Begriffes Paradoxon, wie sie sich, wie wir sahen, auf dem Gebiet der Theologie und der Philosophie durch das geniale Auftreten Kierkegaards vollzogen hatte.

Das spricht für sich. Wir nennen nur zwei Umstände zur Erklärung, ausser der schon genannten Unsicherheit, die eigentlich selbst schon alles sagt.

An erster Stelle ist es bemerkenswert, dass geraume Zeit bestimmte, unter diesem Namen bekannte Paradoxa, als scharf gestelite Fragepunkte und cruces für das Denken, eigentlich am kräftigsten in der Mathematik c.s. lebten. Gewiss hatte und gebrauchte die Logik in ihrer Propaedeusis noch immer ihr doch wohl sehr altes Erbe von den Sophisten; man denke nur an die klassischen Zeno’schen „Beweise”: ein Bewegtes kann nie eine beliebige Strecke durchlaufen; Achilles kann die Schildkröte nicht einholen; der fliegende Pfeil ruht in jedern Augenblick, also verändert er seine Lage nicht. Und so gab es Paradoxe mehr, an denen sich die Technik des „formal”-logischen Denkens übte, wir nennen nur das Lügner-Paradoxon, 12) das Sophisma des Evathlus 13) und das Krokodilsdilemma. 14) Aber ausser solchen sehr alten Erbstücken kannte weder Theologie noch Philosophie bestimmte, mit scharfer Problemstellung als cruces intellectus unter eine Formel gebrachte Paradoxa. Ganz anders verhielt es sich dagegen mit der Mathematik. Sie hatte dieselben Paradoxa, die wir soeben nannten, an denen die Schulpropaedeusis der Logik sich nach oben arbeitete, selbständig als Fragen behandelt und schon von alters her begriffen, |124| das metaphysische und theologische Fragen über die Unendlichkeit und das Kontinuum dahinter lagen. Wir erinnern nur daran, dass z.B. in der Korrespondenz zwischen F.G. le Baron de Nulandt und Chr. Huygens das Paradoxon Galileis mit direkt theologischen Fragen verknüpft wurde 15) oder dass M. Bettinus in seinem schon erwähnten Apiarium (wenngleich bei ihm die Grenze zwischen dem genus der iucunda und der nicht-iucunda schwer zu ziehen ist) doch die Denkkraft ans Werk gesetzt hat, indem er mit seinen Paradoxa circa aequalitatem et inaequalitatem figurarum ein corrolarium verband über die . . . paradoxica de Angeli extensione à coelis ad usque terras, und zwar im Zusammenhang mit Scotus. Auch für rein mathematische Forschung hatte die Mathematik schon etliche bestimmte Paradoxa unter einem festen Namen registriert (I, § 3). Ja, sie machte aus den klassischen Paradoxa auch in der jüngsten Zeit, besonders nach Cantor und Russell, rein mathematische Paradoxa. So werden, z.B. durch Eugen Böckli, Russell und viele andere, die Zeno’schen „Beweise” oder Paradoxa gerade als Paradoxien der Zeit aus der isolierten Sphäre der formalen Logik herausgezogen und hinübergetragen in die mathematisch-philosophische Sphäre, wo dann jeder für sich eine Lösung dafür sucht, Böckli durch den kritischen Idealismus, Russell durch seine Typentheorie, u.s.w. Das Registrieren von festen, auf eine Formel gebrachten Paradoxa wird dann auch noch immer fortgesetzt; man kommt sogar zu neuen Unterscheidungen. So wird z.B. das klassische Lügner-Paradoxon ebenso wie das ganz neue Paradoxon von Richard, über das wir noch sprechen werden, unter die nicht rein-formallogischen bezw. rein-mathematischen Widersprüche gerechnet, die dann mit dem Namen semantisch bezeichnet werden. 16) |125|

Soweit nun die festen, auf eine Formel gebrachten, von alters her bekannten Paradoxa einmal ihren historischen Namen empfangen haben, sind sie auch unter diesem Namen bekannt geblieben, ungeachtet der Frage, ob diejenigen, die sich dieses Namens bedienten, Paradoxa in weiterem oder in engerem, praegnantem Sinn darin glaubten erkennen zu müssen. Dies Verschleiertlassen des Begriffes Paradoxon hatte dann natürlich auch wieder Einfluss auf die Neubildung von Paradoxa; auch dabei konnte jeder die crux für das Denken auf seine eigene Weise auslegen.

An zweiter Steile wurde eine scharfe und acute Veränderung in der Verwendung des Wortes und Begriffes „Paradoxon” (wie wir ihr bei Kierkegaard begegneten) auch durch den schon erwähnten Umstand verhindert, dass weitaus die meisten Mathematiker auch weiterhin jeden „Widerspruch im Richtigen” verneinten und ihre Wissenschaft von logischen Absurditäten in striktem Sinne frei nannten. Wohl zeigt Ph. Kohnstamm, dass er die Situation nicht richtig sieht, wenn er schreibt: „Die neuere Mathematik hat, namentlich in den Spuren Dedekinds, die Methoden des Definierens und Argumentierens zu so grossem Scharfsinn emporgehoben, dass man nicht nur die Zeno’schen Schwierigkeiten als überwunden betrachten darf, sondern zugleich sagen kann, dass auf diesem Gebiet — im Gegensatz zu dem, was seinerzeit Hegel noch meinen konnte — gewiss nicht mehr gesprochen zu werden braucht von einer coincidentia oppositorum”. 17) Aber doch besteht das Streben, soweit zu kommen. Auf obenerwähnter Prager Tagung klagte H. Behmann nicht über ein zuwenig, sondern über ein zuviel an Lösungen der Paradoxa.

Wiesehr man denn auch noch immer in den breiten Schichten der Mathematiker sich bemüht, einer solchen coincidentia oppositorum zu entkommen, zeigt wohl die Diskussion über das sogenannte Russellsche Paradoxon. |126| Es handelt von der „Klasse aller sich nicht selbst enthaltenden Klassen” oder, wie Bertrand Russell es selber ausdrückt, von „predicates not predicable of themselves”. Es gibt, wie Russell das Problem stellt, 18) class-concepts (Schönflies substituiert hier: Mengen, Benno Urbach: Begriffe) which can be asserted of itself. Was das Wort „class-concept” betrifft, verweisen wir auf seinen Ausspruch, dass man „class” und „class-concept” klar unterscheiden muss; „the class must be distinquished from the class-concept or predicate by which it is to be defined: thus men are a class, while man is a class-concept” (p. 19). Ueber diese class-concepts bemerkt nun Russell, dass es solche gibt, die ein Glied (term) sind ihres eigenen Umfanges und andere, die es nicht sind. Der Begriff nicht-rot z.B. is selber nicht rot, der Begriff der Begriffe ist selber jedoch auch ein Begriff. Demgegenüber steht dann wieder, dass der Begriff „Mensch” selber kein Mensch ist und der Begriff „rot” selber nicht rot. Nehmen wir nun einen Begriff, der das Gemeinsame aller Begriffe der letztgenannten Art zusammenfasst, und nennen wir den z.B. Z, dann ist Z der |127| Begriff der Begriffe, die nicht ein Glied (term, member) ihres eigenen Umfanges sind. Es wird nun die Frage gestellt, ob auch Z ein Glied seines eigenen Umfanges ist oder nicht. Nennen wir nun die Begriffe, die nicht ein Glied ihres eigenen Umfanges sind a. Z ist dann der Begriff aller a. Nimmt man an, dass Z wohl ein Glied seines eigenen Umfanges ist, dann ist Z also (weil in diesem Umfang alle a begriffen sind) ein a. Aber . . . wenn Z ein a ist, dann ist Z doch kein a; denn es war vorausgesetzt, dass a heissen sollten alle Begriffe, die kein Glied ihres eigenen Umfanges sind. Nimmt man an, dass Z nicht ein Glied seines eigenen Umfanges ist, dann ist Z kein a (nach der Voraussetzung). Aber wenn Z nicht ein Begriff ist, der nicht ein Glied seines eigenen Umfanges ist (so hiess a), dann ist Z wohl ein Glied seines eigenen Umfanges, und das Entgegengesetzte war gerade vorausgesetzt.

Wiewohl Russell selbst sofort versuchte, dies Problem „to solve” — er selber bezeichnete es als the contradiction with regard to predicates not predicable of themselves — so quälte doch dieses bestimmte Paradox die Geister auch weiterhin. Es hat „eine förmliche Bestürzung im Lager der modernen Mathematik hervorgerufen”, 19) und veranlasste sogar einige zu der Klage, dass „der ganze wissenschaftliche Aufbau” dadurch „in Frage gestellt” sei. 20) Schon daraus erhellt, dass die Lösung, die Russell selber davon gab, im selben Werk, in dem er auch das Problem stellte (später auch noch in den mit A.N. Whitehead herausgegebenen Principia Mathematica, vol. I, 2e Aufl., 1925, p. 1, 60 ff.), nicht allgemein angenommen wurde. Aber die Versuche, zu einer Lösung zu kommen, wurden nicht aufgegeben. Sie kehren immer wieder, so z.B. |128| bei Benno Urbach 21) oder, wieder auf eine andere Weise, bei Otto Samuel, der übrigens im Titel seines diesbezüglichen Aufsatzes nicht von Paradoxa, sondern von „diskursiven Sophismen” spricht. 22) Wieder auf andere Weise sucht Schönflies „die Quelle des Russellschen Paradoxons aufzudecken” 23) oder Hugo Dingler, Joseph Petzoldt, Julius König, Hans Lipps u.s.w. 24)

Dieselbe Tendenz, zu einer paradoxfreien Betrachtung 25) zu kommen, finden wir in den mannigfachen Konstruktionen einer Mengenlehre und, im Zusammenhang damit, in den verschiedenen Versuchen, die gemacht werden, um zwischen „endlich” und „unendlich” jedem Schein einer antinomischen Relation zu entgehen, m.a.W.: um das Wort „Paradoxon”, auch, ja besonders, wo es in der Mengenlehre infolge der Relation: endlich-unendlich vorkommt, von jedem Verdacht der logischen Absurdität zu befreien.

Auch in dieser Hinsicht hat Bertrand Russell in seinen „Principles of Mathematics” § 337-350 (vgl Principia I, 60-65) in einem Kapitel über „the philosophy of the infinite” (infinity and continuity) sich bemüht, sowohl Probleme zu stellen als auch zu lösen, die mit dem Unendlichkeitsbegriff zusammenhingen. Er gibt sogar in seinen „Principles” (p. 358) eine Analogie zu dem Zeno’schen Paradoxon von Achilles und der Schildkröte, nämlich im Paradoxon von Tristam Shandy. Dieser verwendete 2 Jahre auf die Beschreibung der 2 ersten Tage seines Lebens, konnte |129| also niemals fertig werden, aber, sagt Russell, „if he had lived for ever and not wearied of his task, then, even if his life had continued as eventfully as it began, no part of his biography would have remained unwritten”, § 340. Beweis: a) T.S. writes in a year the events of a day; b) the series of days and years has no last term; c) the events of the nth day are written in the nth year; d) any assigned day is the nth, for a suitable value of n; e) hence any assigned day will be written about; f) hence no part of the biography will remain unwritten; g) since there is a one-one correlation between the times of happening and the times of writing, and the former are part of the latter, the whole and the part have the same number of terms. Dieses Paradoxon, sagt Russell, deduces that whole and part may be similar. 26)

Auch hier stehen wir wieder vor derselben Tatsache wie soeben: die Lösung, die Russell selber gab, befriedigte viele nicht. Aber das Problem blieb in der Mengenlehre auf der Tagesordnung; die Versuche von einigen, die Mengenlehre (Mannigfaltigkeitslehre), wie auch die Zahlenlehre, soviel wie möglich „von der Mathematik abgerückt” zu halten, 27) fanden ungenügende Unterstützung. Es wurden gerade umgekehrt andere Paradoxa aufgestellt, die man, was die Problemstellung betrifft, kaum von den klassischen, rein formal-logischen unterscheiden kann. So z.B. das Paradoxon von Richard, das durch L.E.J. Brouwer in vereinfachter Form so wiedergeben wird: Gibt es eine kleinste ganze Zahl, die nicht durch einen Satz von höchstens zwanzig Worten definiert werden kann? Einerseits ja, denn die Anzahl Sätze von höchstens zwanzig Worten ist natürlich endlich. Aber andererseits nein; denn wenn sie bestünde, würde sie durch den hier oben als Frage gestellten Satz von 18 Worten definiert sein. 28) Oder das von |130| Russell und Jörgen Jörgensen (A Treatise of formal Logic, Copenh., London, 1931, III, 165) erwähnte Paradox von Berry: 111777, „the lowest integer not nameable in fewer than 19 syllables (one-hun-dred-and-el-ev-en-thou-sand-sev-en-hun-dred-and-sev-en-ty-sev-en) is found to be nameable in 18 syllables (the-least-in-te-ger-not-name-a-ble-in-few-er-than-nine-teen-syl-la-bles)”.

Oder das Paradoxon von Burali-Forti: wenn eine, was ihre Reihenfolge betrifft, wohlgeordnete 29) Reihe von Ordnungszahlen alle Ordnungszahlen enthält, dann muss diese Reihe selbst eine neue Ordnungszahl definieren, die nicht in ihr selbst enthalten ist. Der Begriff der Menge aller Ordnungszahlen muss also widerspruchsvoll sein; die im Problem gestelite Annahme muss also falsch sein, m.a.W. keine Menge von Ordnungszahlen enthält jemals alle Ordnungszahlen. 30)

Es hat für unseren Zweck jetzt keinen Sinn, auf diese Dinge weiter einzugehen. Wohl interessiert uns in diesem Stadium unserer Untersuchung die Frage, welchen Inhalt der Begriff „des Unendlichen” in diesen Paradoxien der Mengenlehre hat. Denn in § 1 und § 2 dieses Kapitels zeigte sich uns bei der Besprechung von Kierkegaard, dass auch bei ihm die Lehre der Paradoxie eigentlich ihren Anfang nimmt mit dem Begriff des Unendlichen. Auch in den mathematischen Paradoxien tritt dieser Begriff auf, und sofort wird unter seinem Einfluss die Zahl der Paradoxa grösser. Liegt hier eine Uebereinstimmung vor?

Um diese Frage zu beantworten, achte man wohl darauf, dass die Behandlung der Mengenlehre, namentlich was den Begriff des Unendlichen betrifft, eigentlich in der Mathematik sich aufs neue nicht so sehr an Kant oder Leibniz geknüpft hat, wenn diese auch hier und dort in der Diskussion als Urheber des Problems in den Vordergrund |131| gestellt werden, 31) als vielmehr an Bernard Bolzano in seinem bekannten Werk „Paradoxien der Unendlichkeit”. 32) Dies hat nun für uns insoweit Bedeutung, als auf den ersten Blick die Problemstellung von Bolzano der Kierkegaards ähnlich zu sein scheint. Und zwar nicht so sehr, weil auch Bolzano an Hegel Kritik übt, 33) sondern vor allem, weil auch seine Problemstellung, wie die Kierkegaards, eigentlich ihren Ausgangspunkt im „Unendlichen” nimmt. „Nicht zwar, wie Kästner sagt, alle, aber gewiss die meisten paradoxen Behauptungen, denen wir auf dem Gebiete der Mathematik begegnen, sind Sätze, die den Begriff des Unendlichen entweder unmittelbar enthalten, oder doch bei ihrer versuchten Beweisführung in irgendeiner Weise sich auf ihn stützen”, sagt er. 34) „Eine Vielheit, die so beschaffen ist, dass jede endliche Menge nur einen Teil von ihr darstellt” nennt er nun „eine unendliche Vielheit”; 35) und von hier aus sucht er dann zu kommen zu einer Bestimmung „eines Unendlichen überhaupt”. 36) So gelangt Bolzano zu dem Begriff „unendlich gross”: „eine Grösse, grösser als jede Anzahl der zur Einheit angenommenen”, und zu dem Begriff „unendlich klein”: „eine Grösse . . . so klein, dass jedes Vielfache derselben kleiner ist als die Einheit”. 37)

Die scheinbar hier vorhandene Analogie mit Kierkegaards Problemstellung nun kann man nicht ohne weiteres abtun mit der Bemerkung, dass wir uns bei Bolzano und bei Kierkegaard doch auf jedesmal ganz anderen Denkgebieten befinden; denn wenn wir auch sogleich diesem Bedenken volles Recht widerfahren lassen werden, so bleibt es doch |132| eine Tatsache, dass Bolzano selbst (der in derselben Zeit wie Kierkegaard schrieb) im voraus jeder radikalen Loslösung der seiner Ansicht nach unverkennbaren und unvermeidlichen gedanklichen Zusammenhänge zwischen seinem Begriff des „Unendlichen” einerseits, und dem der Philosophie im allgemeinen andererseits, widersprochen hat. Es sei ihm, sagt er, bekannt, dass „einige Philosophen, zumal der neueren Zeit, wie Hegel und seine Anhänger”, das „Unendliche”, wie die Mathematiker es kennen, „verächtlich das schlechte Unendliche nennen”, und dass sie „ein viel höheres, das wahre, das qualitative Unendliche kennen wollen, welches sie namentlich in Gott und überhaupt im Absoluten nur finden”. Bolzano weiss, welches Argument diese Philosophen dafür anführen, sie denken sich das mathematisch-Unendliche „nur als eine Grösse, welche veränderlich ist und in ihrem Wachstume keine Grenze hat”. Nun ist Bolzano selber bereit, anzuerkennen nicht nur, dass diese von philosophischer Seite gegebene Umschreibung des mathematisch-Unendlichen in der Tat auf Aeusserungen vieler Mathematiker selbst sich berufen kann, sondern auch, dass die ablehnende Kritik von Hegel c.s. an einem solchen Begriff „einer in das Unendliche nur wachsenden, nie es erreichenden Grösse” richtig ist und von ihm geteilt wird. Aber er bemerkt weiter: „was ich nur nicht zugestehe, ist bloss, dass der Philosoph einen Gegenstand kenne, dem er das Prädikat der Unendlichkeit beizulegen berechtigt ist, ohne in diesem Gegenstande in irgendeiner Beziehung erst eine unendliche Grösse oder doch die Vielheit nachgewiesen zu haben”. Bolzano glaubt, dass die Philosophie zu ihrem Begriff „Gott”, „das Absolute” oder „das All” also letztlich auch nur kommen kann allein über die Brücke des „unendlich Vielen”. 38) Nicht so sehr in metaphysischem, als in erkenntnistheoretischem Gedankengang will also Bolzano seinen Platz neben Hegel und — so könnten wir mit Bezug auf die Paradoxien hinzufügen — neben Kierkegaard, auf |133| demselben Niveau anerkannt sehen. Man kann also die von uns wenigstens auf den ersten Blick behauptete Analogie zwischen Bolzanos und Kierkegaards Ausgangspunkt auf dem Weg zur Konstruktion des Paradoxons nicht so ohne weiteres bestreiten mit der Behauptung, dass das Unendliche des einen in einer anderen „Dimension” liege als das des anderen. Bolzano bestreitet gerade die erkenntnistheoretische Legitimierbarkeit dieser beide Denker gegeneinander abgrenzenden Behauptung. Man muss anerkennen, dass, auch in Anbetracht der allgemeinen Verwirrung in der Verwendung des Prädikats „unendlich”, auch wo es auf Gott oder das Absolute angewandt wurde, 39) die Problemstellung von Bolzano der Kierkegaardschen wenigstens ähnlich sah.

Und doch ist diese Analogie nicht mehr als Schein. Sie liegt nur im Klang des Wortes „unendlich”. Denn gerade durch seine scharfe Abgrenzung von „Glauben” und „Denken” (Spekulation) kann Kierkegaard zu einem Gegensatz zwischen unendlich und endlich, Gott und Menschen kommen, während Bolzano bei der Verteidigung seines Unendlichkeitsbegriffes gegen den „Tadel” von Hegel c.s. sich gerade auf beider Einheit beruft und die Spekulation, sowohl die Hegels als auch seine eigene, ihre Autarkie behalten lässt. Man hat Bolzano und Lotze die ersten Intuitionisten genannt, die nach Kant für die Mathematik von Bedeutung waren, und Bolzano in metaphysicis zur monadologischen Schule gerechnet und zur normativen in logicis. 40) Und hieraus erhellt, dass die Paradoxie bei Bolzano, obgleich sie ihre Probleme bei „dem Unendlichen” ansetzt, schon gleich durch eine tiefe Kluft von Kierkegaards Gedankengang radikal getrennt ist. Bei Kierkegaard kommt „das” (der) Unendliche aus sich selbst heraus zum Menschen und dessen Existenz (Gott |134| ward Mensch); bei Bolzano kommt der Mensch zum Unendlichen (über das „unendlich Viele” kommt der Philosoph zum qualitativen Unendlichen, Absoluten, Gott). Kierkegaard kennt „den” Unendlichen, Bolzano nur „das” Unendliche. Kierkegaard lässt den nexus cosmicus von Gott aus durchbrechen; sein Paradoxon ist gerade immer wieder, und zwar jedesmal im „Augenblick”, niemals in „Stetigkeit”, Folge eines unmittelbaren Einwirkens Gottes; aber bei Bolzano bleibt die Paradoxienlehre immer mit dem „Gesetz der Stetigkeit” verbunden, setzt sie dieses Gesetz voraus wie auch den nexus cosmicus, und muss sie gerade in ihrer Konstruktion also absichtlich absehen „von einem unmittelbaren Einwirken Gottes”. 41) Kierkegaards Unendliches kommt aus einer für uns ganz anderen „Dimension”, das des Bolzano nicht; das „Unendliche” ist bei ihm denn auch nicht wie bei Kierkegaard zu ersetzen durch „das Ewige”.

Dies alles nun ist zugleich charakteristisch für die ganze Art und Weise, wie in der Mathematik überhaupt das Unendliche aufzutreten pflegt. Im allgemeinen ist in der Mathematik das Unendliche eine Art werdender Unendlichkeit, „die man besser Endlosigkeit nennt” 42) (Zahlenreihe, Unbegrenztheit des Raumes). Daneben tritt das Unendliche auf in dem Kontinuum (Raum, Zeit, Bewegung). „If a class u has terms, but not any finite number of terms, then it has an infinite number. This is the positive theory of infinity”. 43) Die für die Kierkegaardsche Problemstellung so kennzeichnende Skizzierung einer „vertikalen” Begegnung mit der horizontalen Welt und einer Schneidung von ihr „im Augenblick” ist also für die Mathematik völlig unbrauchbar; endlich und unendlich liegen hier beide auf derselben „horizontalen” Ebene. Das mathematisch-Unendliche ist, wie Eisler in seinem Wörterbuch bemerkt, kein „Gegebenes . . ., sondern es wird nur in grenzenlosem |135| Fortgang (Prozess, Regress) des Denkens, in unvollendbarer Synthese, gesetzt, postuliert, zur Aufgabe gemacht”. Dies auf die „Unendlichkeit” der Kierkegaardschen Dialektik zu übertragen, würde bei ihm Blasphemie bedeuten. Kierkegaard weigert sich, das Unendliche je bildlich zu fassen; aber die Mathematik, z.B., wenn sie spricht von einem „unendlich kleinen”, das von Null unterschieden werden muss, A, kann, auch wenn A transsubjectiv gemacht wird, wenigstens von ihrem eigenen Standpunkt aus dem Gedanken nicht entkommen, dass sie hier „unendlich” in einer bildlichen Bedeutung gebraucht. 44) Während bei Kierkegaard das Paradox dadurch entsteht, dass der Absolute oder das Unendliche als der (das) Eine transzendent in unsere Existenz eintritt, so ist in der Mengenlehre mit ihren vielen Paradoxien nach vieler Meinung, auch nach H. Poincaré und B. Russell, „das gemeinsame störende Moment aller bisherigen Paradoxien der Mengenlehre aufzudecken in dem Hinweise auf das dabei offen oder versteckt gebrauchte Wort ‘alle’”. 45) Endlich, während Kierkegaards Konstruktion des Paradoxons steht oder fällt mit der Annahme einer „Todeslinie” zwischen endlich und unendlich, gibt es „für die Mengenlehre . . . zwischen dem Endlichen und dem Unendlichen keine grundsätzliche Schranke; ja das Unendliche erscheint ihr sogar als das Einfachere”, wie Hermann Weyl im Anschluss an Descartes, Galilei, Leibniz zeigen will. 46)

Gerade der mathematische Unendlichkeitsbegriff muss deshalb — anders als der Kierkegaardsche — wohl auch weiter darnach streben, seine Paradoxa von inneren Widersprüchen frei zu halten. Hierin sind Weyl, Lipps, Zermelo, |136| Cantor, Bolzano, Poincaré, Russell, Schönflies, Hessenberg, Dedekind, Julius König, Isenkrahe, Urbach, Dingler, Samuel, J.K. Kreibig 47), Bergmann 48) u.s.w. sich schliesslich einig.

Und wenn auch in der letzten Zeit, namentlich infolge des Auftretens von L.E.J. Brouwer, die Frage nach der Exaktheit der Mathematik wieder mit Nachdruck in den Vordergrund getreten ist, und wenn auch zwischen der intuitionistischen und der formalistischen Richtung in der Mathematik eine Meinungsverschiedenheit herrscht über die Frage, ob die mathematische Exaktheit im menschlichen Intellekt liege (die intuitionistische Auffassung) oder „auf dem Papier” (die formalistische), so hält doch das Problem der Widerspruchlosigkeit beide fest. 49) Brouwer, selber Intuitionist, schreibt wohl einen Aufsatz unter der Ueberschrift: „De onbetrouwbaarheid der logische principes”, aber stellt doch fest, dass die Paradoxa von Burali-Forti, Russell, Richard ihren Ursprung in einem Irrtum finden; 50) er erkennt die Zuverlässigkeit der Prinzipien des Syllogismus und der Kontradiktion an 51) und verneint wohl die Zuverlässigkeit des principium tertii exclusi in der Mathematik, aber kommt schliesslich nur zu dem Schluss, dass über die Frage nach der unbegrenzten Geltung dieses Prinzips in der Mathematik nicht mit Sicherheit entschieden werden kann. Die in der Mathematik gewöhnlich als bewiesen geltenden Beweise muss man seiner Ansicht nach |137| unterscheiden in richtige und nicht-kontradiktorische. 52) Auch die Formalisten ihrerseits, sagt Brouwer, wenden das principium contradictionis an; daher kommt es denn auch, dass sie, wenn sie auf ein peinliches Paradox stossen (z.B. von Burali-Forti) dies gerne in eine mildere Form redigieren. 53) Zum Schluss: die symbolische Mathematik (Hilbert) möge für sich davon abgesehen haben, die Wahrheit der Mathematik sicherzustellen, doch will sie in jedem Fall die Widerspruchslosigkeit der alten Analyse sicherstellen. 54)

Um diese Widerspruchslosigkeit geht es also immer wieder, nicht nur bei der axiomatischen Methode. 55)

Eine eigentlich bestimmte Entscheidung in entgegengesetztem Sinne, also eine volkommene Preisgabe jeden Suchens nach Widerspruchslosigkeit, muss jedoch, wie gesagt wurde, aufgewiesen werden bei einem Anhänger von Vaihingers Als-Ob-Philosophie.

Hier muss besonders das schon erwähnte Buch von W. Dieck genannt werden. Die darin vertretenen Gedanken hatte er schon vorher ausgesprochen in einem Aufsatz: Die Paradoxien der Mengenlehre (Annalen d. Philosophie, Jahrg. V, Heft 2, 6. juli 1925). Schon hier hatte Dieck die Auffassung verteidigt, dass in den Paradoxien der Mengenlehre die „Geburtsfehler” des menschlichen Denkens überhaupt zutage treten. In der Mengenlehre nämlich wird s.E. mit innerlich widerspruchsvollen Begriffen gearbeitet; sie sind ihm „die tiefste und letzte Quelle” ihrer Paradoxien. Und hier schliesst er sich an Vaihinger an, und versucht den fiktiven Charakter des Mengenbegriffs (wenn etwas „Vieles” ist, kann es nicht zugleich „Eines” sein) aufzudecken. Es wundert ihn, dass die Mathematiker Herrn |138| Vaihinger in der Entdeckung des Fiktionsbegriffs nicht zuvorgekommen sind 56), und er nennt es geradezu unverständlich, wenn die Mathematiker die durch den Fiktionsbegriff umschriebene Eigentümlichkeit unseres Denkens in Abrede stellen wollen. Denn die angeführten Widersprüche des Mengenbegriffs sind „ein notwendiges Uebel”. Nicht nur mit Rücksicht auf rein mathematische Fragen, sondern auch in anderer Hinsicht, z.B. in der Ausarbeitung des Aetherbegriffes, 57) schliesst er sich an Vaihingers Fiktionslehre an, „dass unser Denken sich innerlich widerspruchsvoller Begriffsbildungen mit Erfolg zu bedienen vermag”. 58) Vaihinger hatte sich übrigens selbst — teils mit Unrecht — für seine Theorie über den Nutzen und das Recht fiktiver (und dabei widerspruchsvoller) Begriffe in der Mathematik auf Poincaré, Couturat, Russell u.a. berufen. 59) Von der „Fiktion”, wie Vaihinger sie aufstellt, gibt Dieck folgende Umschreibung: „. . . in sich widerspruchsvolle Begriffe, die doch zur Beherrschung der Wirklichkeit notwendig oder nützlich sind”, eine Umschreibung, die, wie Dieck gegenüber Hankel, Hölder und anderen Mathematikern, auch im Zusammenhang mit dem Unendlichkeitsbegriff, bemerkt, für die Mathematik schon gleich die Konsequenz nach sich zieht, „dass innerer Widerspruch von Begriffen mit ihrer praktischen oder theoretischen Brauchbarkeit sehr wohl Hand in Hand gehen kann”. 60) Uebrigens gilt auch die Sprache für Dieck als „Bewahrerin, . . . Erzeugerin, . . . Ernährerin jener in sich widerspruchsvollen Begriffe”. 61)

Die Anknüpfungspunkte für diese Darlegung können bei Vaihinger selbst leicht gefunden werden. Vaihinger hatte in seiner Fiktionslehre einen Unterschied gemacht zwischen Fiktionen und Semifiktionen. Die letzteren widersprechen |139| wohl der gegebenen Wirklichkeit, aber sind noch nicht in sich selbst widerspruchsvoll; die ersteren sind jedoch auch in sich selbst widerspruchsvoll. 62) Hierzu gehören u.a. der Begriff des Atoms, des Dinges an sich. Die Fiktionen gehen denn auch über in Antinomien; 63) das logische Gesetz des Widerspruchs wird vergewaltigt. 64) Namentlich die Infinitesimalrechnung wird ausführlich erörtert, wobei er sich auf Leibniz beruft. 65) Die Mathematik, so wird festgestellt, beruht auf einer vollständig imaginativen Grundlage, sogar auf Widersprüchen; 66) Fläche, Linie, Punkt u.s.w., das Unendliche: es sind alles widerspruchsvolle Fiktionen. 67)

Von hier aus zieht Dieck die Linien nun weiter. Ebenso wie Vaihinger den Punkt, die Linie, die Fläche, die Null, die Zahl ¥, das Differenzial, den Differenzialquotient, das Integral u.s.w. als Fiktionen betrachtet, so nennt auch Dieck (der offenbar eigene Wege einschlägt, wenn er von Paradoxen spricht) es nacheinander eine „paradoxe Erscheinung”, dass die Einheit „der natürliche Anfang aller Zahlen”, logisch genommen, selbst nicht als Zahl angesehen werden kann, 68) so glaubt er, dass die Einheit nicht widerspruchsfrei mit der Vielheit verbunden ist, 69) und sieht er innere Widersprüche in der Null (jener „Ziffer, die das Fehlen einer Ziffer an bestimmten Stellen einer Zahl zum Ausdruck bringt”) 70), so nennt er die Null „zugleich ein Etwas und ein Nicht-Etwas”, 71) eine Auffassung, die sogar durch Hinweis auf das Nirwana (!) unterstützt werden muss, 72) und |140| vermehrt er die Anzahl innerer Widersprüche in der Null noch durch einen, indem er der Null zugleich den Charakter einer „kleinsten Zahl” zuschreibt, obwohl es eine „kleinste Zahl” in Wirklichkeit nicht gibt. 73)

Eine gleiche Erörterung folgt dann über die Zahl ¥ (nach ihm: „jenseits jeder gegebenen Grösse” S. 27); „mit dieser Zahl ¥ rechnen wir ähnlich wie mit jeder anderen endlichen Zahl. Ist das nicht Gebrauch einer unendlichen Grösse als einer vollendeten?” Also auch hier wieder „innere Widersprüche”. 74) Weiter kommt er zu den negativen Zahlen; schon 10 — 10 heisst „widersinnig”, denn die Fiktion der Menge 0 muss helfen zur Lösung der Aufgabe 10 — 10. Wieviel mehr werden dann die negativen Zahlen selbst innere Widersprüche in sich enthalten? 75) Michael Stifel — sagt Dieck — nannte sie schon „absurd”, um. ihren widerspruchsvollen Charakter anzudeuten. 76) Ferner heisst auch innerlich widerspruchsvoll die Erweiterung der Mengenzahl zur Beziehungszahl 77) (zu Beziehungs- oder Rechenzahlen rechnet Dieck zu allererst die negativen Zahlen) 78); man kommt auf diese Weise „zu neuen Zahlbegriffen, die von den Ausgangszahlen wesentlich verschieden, mit ihnen geradezu unvereinbar sind”. 79)

Es hat für unseren Zweek keinen Sinn, weiter auf Diecks viele andere Beispiele einzugehen, umso mehr nicht, weil offenbar in dem letzten Beispiel die „inneren Widersprüche” mehr oder weniger verblassen; denn es handelt sich hier um ein Weiterbauen auf ein schon gelegtes Fundament; eine Ueberwucherung des Zweckes |141| durch das Mittel, wie Vaihinger sagt. 80) Für unseren Zweek hat es jetzt nur noch Bedeutung zu untersuchen, wie bei dieser Auffassung das Wort „paradox” noch gebraucht werden kann. Wir weisen auf einige bestimmte Paradoxa:

a) die Paradoxie von J. Wallis. In der Bruchfolge

formule

bilden die Brüche links und rechts von formule eine steigende Folge. Aber der Bruch formule, der den Wert ¥ hat, stellt uns vor eine „Unstimmigkeit”; wir können diese „erst beheben, wenn wir ¥ = ± ¥ setzen und das obere Zeichen auf die linke, das untere Zeichen auf die rechte Hälfte der Bruchfolge beziehen”. 81) Wir stehen also vor einer „unendlich grossen positiven Zahl, die zugleich eine unendlich grosse negative Zahl ist”, und das muss nach Dieck „ein in sich widerspruchsvoller Begriff sein”; 82) die Unstimmigkeit lässt sich durch keine einzige Lösung ganz beheben, meint er. 83)

b) die Paradoxie von A. Arnauld. Hier zitiert Dieck Leibniz, 84) der schon auf diese Paradoxie hingewiesen hat. Arnauld wundert sich darüber, „wie 1 : (— 1) sich verhalten könne wie — 1 : 1, obschon diese Verhältnisgleichung ihren Beweis allem Anschein nach darin finde, dass das Produkt der äusseren Glieder gleich dem Produkt der inneren Glieder, nämlich gleich + 1 ist . . . Wenn — 1 kleiner als Null ist dann ist auch das Verhältnis von 1 zu — 1 das Verhältnis von Grösserem zu Kleinerem, dagegen ist das Verhältnis — 1 : 1 das Verhältnis von Kleinerem zu Grösserem; |142| wie kann da auf beiden Seiten dasselbe Verhältnis bestehen?” Dieck glaubt nun, dass dies Paradoxon „ein hartnäckiger Rest jener anderen Widersprüche ist, welche die Mathematik mit dem Mantel . . . widerspruchsvoller Begriffsbildungen — Fiktionen! — zu bedecken unternommen hat.”

c) die Paradoxie des Konvergenzbereichs einer Reihenentwicklung;

d) die Paradoxie der Dichtigkeit rationaler Punktefolgen (Dichtigkeit einer Punktmenge hinsichtlich der rationalen, Durchlöcherung hinsichtlich der irrationalen Zahlen; eine Verbindung, „ebenso zwangläufig wie widerspruchsvoll”). 85)

Es ist also nicht zufällig, sondern konsequente Auswirkung von Diecks Grundgedanken, wenn gerade er sich weigert, an den obenerwähnten vielen Versucken, die mathematischen Paradoxa, auch die von B. Russell, zu lösen, sich zu beteiligen. „In der Menge M aller Mengen, die sich selbst nicht als Moment enthalten, haben wir mit einem Begriffe zu tun, der seinen inneren Widerspruch deutlich an den Tag legt. Gegen die Folgerichtigkeit der Mengenlehre beweist er nach dem hier vertretenen Standpunkte nichts; vielmehr ist er lediglich ein Kronzeuge dafür, dass unser Denken gesetzmässige Widersprüche in sich schliesst . . . ein philosophisches Argument gegen die alte Erkenntnislehre, dass das richtige Denken von jeglicher Art inneren Widerspruches frei sei”. 86) Und wenn Hausdorff (cf. Russell) sagt: „Wir müssen das geheiligte Axiom totum parte maius verletzen”, so bemerkt Dieck dazu in seinem vorher erwähnten Aufsatz: „Die Mathematiker haben recht daran getan, trotz der augenscheinlichen Widersprüche ihrer Begriffsbildungen diese nicht preiszugeben . . . Zwar irrten sie bisher in ihrer Rechtfertigung, denn die Widersprüche des Unendlichen sind nicht bloss scheinbar, sondern wirklich. Aber sie sind zugleich notwendig und gesetzmässig|143| (S. 51). Vaihinger hat die Mathematiker befreit von der „Seelenqual”, „an den Widersprüchen des Begriffssystems ernsten Anstoss nehmen” zu müssen (53). Und diese Auffassung wird nach Dieck nicht nur von der Mengenlehre, sondern auch von den übrigen Zweigen der Mathematik „geschützt” (die inzidenteil unter Formel gebrachten Paradoxa sind daher keine anomalen cruces, sondern paradigmata des normalen mathematischen Verfahrens geworden).

Diecks obige Aussagen sind wohl sehr bemerkenswert. Sie beweisen zugleich, dass das Wort „Paradox” durch Dieck sich noch weiter von seiner ursprünglichen Bedeutung entfernte, als sich uns früher schon zeigte. (§ 1 u. 2.) Nicht weil er es gebraucht, sondern weil er es nicht verwirft, es nicht durch andere, neue Ausdrücke ersetzt. Für Russell war ein innerer Widerspruch eine crux und Ausnahme; die Russellsche „contradiction”, über die wir sprachen, konnte „only be solved by abandoning some common-sense assumption” (deswegen war sie crux), und, „no other similar difficulty, so far as I know, occurs in any other portion of the Principles of Mathematics” (hier zeigt sie sich also als Ausnahme). 87) Aber für Dieck ist der innere Widerspruch keine crux, sondern zweckmässig; denn der Widerspruch baut den Begriff auf, kann nicht entbehrt werden, ist Widerspruch im Richtigen. Auch ist er keine Ausnahme, sondern Regel. Obgleich also Dieck das Wort „Paradox” weiter für bestimmte Paradoxa reserviert, so ist doch unbemerkt „das” Paradox zur Regel geworden, zur „Kategorie”; denn was in jenen namentlich genannten Paradoxa andere zu dieser Namengebung veranlasste, ist nach Dieck und der Vaihingerschen Philosophie überall zu finden.

Wir stehen hier also vor einer neuen Wendung in der Verwendungs- und Begriffsgeschichte des Wortes „Paradox”. Sie bedeutet für den wissenschaftlichen Verkehr ein neues Hindernis, wenngleich anerkannt werden muss, dass |144| diese nicht so radikal ist wie die Kierkegaardsche. Denn was dies letztere betrifft, so macht die Vaihinger-Diecksche Auffassung das Paradox zu einer allgemeinen und regelmässigen Erscheinung im Denken, die man nicht überwinden, sondern als zweckmässiges Hilfsmittel erkennen muss, aber andererseits unterscheidet sie sich doch von Kierkegaards Umwälzung in der Begriffsgeschichte des Wortes „Paradox” darin, dass, was in dem Vaihinger-Dieckschen Paradoxon ein konstitutives Element ist, keineswegs (wie bei Kierkegaard) vertikal das horizontale Denken sprengt, ja, nicht einmal überall die (mathematische!) Unendlichkeit auf die Endlichkeit stossen lässt, sondern in der horizontalen Denkebene selbst ganz und gar eingeschlossen bleibt. In diesem Punkt behält also der antike und bis auf Kierkegaard nachgewiesene „Paradoxbegriff” seine Geltung hier auch weiter. Aber in diesem horizontalen Denkprozess wird sodann, wie bei Kierkegaard, das Paradox zu einer normalen Erscheinung, zu einem Element „im Richtigen”.

Wenn wir alle Variationen des „Paradoxes” in seinem alten (vor-Kierkegaardschen) Typus zu einem Grundtypus zusammenfassen, dann begegnen wir also an dieser Steile unserer Untersuchung einem prinzipiell 3. Typus: der erste (vor Kierkegaard) liegt in der horizontalen Welt, als Hindernis für das Denken; der zweite (Kierkegaard) liegt dort, wo die horizontale und die vertikale Welt (Ewigkeit, Zeit, u.s.w.) sich schneiden und ist Beiseitsetzung des („spekulierenden”) Denkens; der dritte (hier) liegt wieder in der horizontalen Welt, aber ist konstruktives Element im Denken. In Typus I ist in dem Kontinuum Relativität gegen Relativität gestelit; in II ist in dem Diskontinuum Absolutheit gegen Relativität gestelit; in III ist in dem Kontinuum Endlichkeit mit Endlichkeit, Relativität mit Relativität schöpferisch verbunden zu gedanklichem Aufbau, zu höherem Bau. I ist für die „Spekulation” obstruktiv, II destruktiv, III konstruktiv.

So haben Dieck-Vaihinger dazu beigetragen, das doch schon so schwerbelastete Wort Paradox zu einem dritten |145| Grundtyp zu bringen; es ist hier noch ungeeigneter geworden für wissenschaftlichen Gebrauch als es schon war. Bei einem solchen Stand der Dinge braucht nur einer zu kommen, der die Gabe der Popularisierung hat, und die Sprachenverwirrung der Gelehrten wird auf das Volk übergehen und den paradoxen Rausch ebenso „herrlich” machen wie die „Not” früher peinlich war dort, wo das Paradox auftrat. Wenn man bedenkt, dass später von seiten der in Kierkegaards Kielwasser fahrenden dialektischen Theologie (Haitjema) behauptet wurde, dass Vaihingers Lehre vom Paradox (nämlich in der Fiktion) nur einen Schlag umgedreht zu werden braucht, um vollkommen richtig zu sein 88) und dass z.B. durch Gustav Spengler, über „das Verhältnis der Philosophie des Als-Ob H. Vaihingers zu Meinongs ‘Annahmen’” (welches Werk man auch wiederholt zitiert findet im Zusammenhang mit den mathematischen Paradoxien) ausführlich geschrieben ist, 89) dann erhellt, dass doch wohl Verbindungsfäden laufen zwischen dem einen und dem anderen Denkgebiet, und dann bekommt Vaihingers Fiktionenlehren auch für die praktische Ueberbelastung des Begriffes „Paradox” reelle Bedeutung.

Man spricht in der Mathematik also noch wohl von mathematischen Paradoxen, aber Inhalt und Rechtmässigkeit dieses Namens werden schon auf mathematischem Gebiet verschieden aufgefasst. Mit auch für den allgemeinen Sprachgebrauch fatalen Folgen wird die Verwirrung dann noch grösser, wenn in der mathematischen Literatur immermehr die Neigung aufkommt, für bestimmte Paradoxa diesen Namen mit „Antinomien” abwechseln zu lassen. Es hat eine Zeit gegeben, in der das Wort „Antinomie” ungefähr |146| gleichen Inhalt haben konnte wie das alte Wort „Paradox”, z.B. (nach Eisler): Widerstreit zweier Urteile oder Schlüsse, welche (anscheinend) von gleicher Ueberzeugungskraft und Geltung sind, wiewohl sie einander widersprechen. 90) Aber schon die Ableitung von „nomos” statt von „doxa” (Meinung) gibt dem Worte „Antinomie” einen enger begrenzten Inhalt, und besonders die Weise, in der Kant das Wort gebraucht hat, so nämlich, dass sowohl Thesis wie Antithesis als falsch galten, hat das Wort „Antinomie” noch weiter von „Paradox” entfernt, als es ursprünglich in dem doppelten Gegensatz von anti-para einerseits, und nomos-doxa andererseits, der Fall war. Dass also namentlich in der Mathematik die Neigung aufkommt, „Antinomie” und „Paradox” als Synonyme zu gebrauchen, kann die babylonische Sprachenverwirrung nur verschlimmern.

Im J. 1887 schrieb Frédéric Loliée, den wir schon erwähnten, über „un pays sans limites, le plus curieux du monde à parcourir, qui se nomme Paradoxe, où chacun a planté son pavillon un peu au hasard, mais dont nul voyageur encore n’a embrassé complètement l’étendue”. 91) In den Jahren nach 1887 sollte noch mehr Ursache zum Klagen über dies „planter au hasard” gegeben werden. Und dass auch die Mathematik dazu beitragen würde, wiewohl gerade sie als die Wissenschaft galt, die jeden Schritt auf ihrem Weg legitimieren konnte, charakterisiert wohl sehr scharf die veränderte Lage. Es bleibt bedauernswert, dass, obwohl mit klarem Bewusstsein durch Russell (und Russell-Whitehead) selbst mathematische und logische Paradoxa aufs engste verbunden wurden, sie nichtsdestoweniger allerlei termini systemlos durcheinander gebraucht haben. Paradox, contradiction, sie werden umschichtig (z.B. auf einer Seite, 63, mit Bezug auf das Paradox von Burali-Forti) gebraucht; wir sprachen schon darüber, dass daneben auch noch der Ausdruck „Antinomie” auftrat. |147|

Dass diese fortschreitende Unbrauchbarwerdung des Wortes „Paradox” als terminus technicus zu bedauern ist, bedarf keines längeren Beweises, auch nicht hinsichtlich der Mathematik. Weyl hat mit Recht darauf hingewiesen 92), dass die heutige Mathematik mit den allgemeinen Grundfragen der Erkenntnistheorie aufs engste verknüpft ist, dass es hier geht um die alten Gegensätze: Realismus und Idealismus, Sein und Werden. Dass bei einer solchen Debatte das Wort „Paradox” unaufhörlich vorkommt und doch eigentlich in alle Richtungen zeigt, das ist schon an und für sich eine Erschwerung der bereits „verzweifelten Lage”.

Eine „verzweifelte Lage”, — denn wiewohl Ph.E.B. Jourdain in einer satirischen Schrift im Hinblick auf die Paradoxa von Russell (Thristam Shandy) und auf die „paradoxes of logic” der Mathematiker überhaupt spottend über die „hierarchy of jokes” gesprochen hat, darf man ihn doch daran erinnern, dass auch für diese „hierarchy” das Wort würde gelten müssen, das er jetzt nur für seinen eigenen „joke” scheint zitieren zu wollen; „even a joke should have some meaning”. 93)




1. De paradoxis virium agentium in ratione quavis distantiarum, etc.; vgl. hier Kap. I, § 3.

2. H. Behmann, Zu den Widersprüchen der Logik und der Mengenlehre, Jahresbericht der deutschen Mathematiker-Vereinigung, XI, I.-4. Heft, 1931, S. 37.

3. L.E.J. Brouwer, De Onbetrouwbaarheid der logische Principes, Tijdschrift voor Wijsbegeerte, 1908; später in: Wiskunde, Waarheid, Werkelijkheid, Groningen, 1919.

4. Kritik d. reinen Vernunft, ed. Cassirer, S. 306, 308. 312, 313, ff.

5. Caspar Isenkrahe, Das Endliche und das Unendliche, Münster i.W. 1915, S. 158, ff.

6. Mathem. Annalen, 1883, XXI, 553, 562, ff.

7. Th. Ziehen, Das Verhältnis der Logik zur Mengenlehre, 1917, 73, ff.

8. W. Dieck, Der W. im R., Sterkrade, 1926 (gemeinverständliche mathematische Kritik der geltenden Logik!) S. 7, 9.

9. A. Schönflies, Ueber die logischen Paradoxien der Mengenlehre, Jahresber. d. Deutschen Mathematiker-Vereinigung, XV (1906) S. 21, spricht von „mathem. Paradoxien resp. Antinomien”. H. Weyl. Phil. d. Mathematik (Handb. d. Phil. II, 1927) S. 50: Antinomien der Mengenlehre. So auch K. Grelling, Mengenlehre (Math. Physik. Bibl. Bd. 58), 1924, S. 40 (S. 14: Paradoxien des Unendlichen); Julius König, Neue Grundlagen der Logik, Arithmetik u. Mengenlehre, Leipzig, 1914, S. 39, 223, 254, u.s.w. H. Dingler (cf. hier, S. 128, Note 4), erwähnt die Burali-Fortische Antinomie, meistens als P. genannt. Vgl. auch Hans Lipps, Die Paradoxien der Mengenlehre, Jahrb. f. Phil. u. „phänomenologische” Forschung, VI (1923), S. 570; Hasso Härlen in Comptes rendus de l’Académie des Sciences, Tome 184, Paris, 1927, p. 367: paradoxie, antinomie u.s.w.

10. Schönflies, a.a.O., S. 20: „Operiert man mit Begriffen, die nicht widerspruchsfrei sind, so . . . versagt . . . der Satz vom Widerspruch und das Schlussverfahren des indirekten Beweises, und dies ist . . . die Quelle unserer logischen Paradoxien”; dagegen, wie wir sehen werden, Dieck.

11. H. Weyl, Ueber die neue Grundlagenkrise der M., Mathem. Zeitschr. April 1921; cf. H. Wigge, Der Zahlbegriff i.d. neueren Phil., eine kritische Studie, Langensalz.

12. Wenn jemand sagt, er lüge und er sagt die Wahrheit damit, so lügt er. Dieselbe Aussage ist also zugleich Wahrheit und Lüge. Andere Formulierungen: Benno Urbach, Ueber das Wesen der Logischen Paradoxa, Zeits. f. Phil. u. phil. Kritik, Leipzig, CXL, Heft 1, S. 87-91.

13. Der Schüler soll dem Lehrer die 2e Hälfte d. Honorars zahlen, nachdem er den ersten Prozess gewonnen hat. Es gibt keinen Prozess; der Lehrer klagt ihn an; Schüler u. Lehrer behaupten beide, dass jedenfalls die Entscheidung zu ihren Gunsten ausfallen werde.

14. Ein Krokodil raubt ein Kind und verspricht der Mutter, das Kind zurückzugeben, falls sie eine Frage richtig beantworte. Die Frage ist: ob es das Kind zurückgeben wird. Antwort: nein. Krokodil u. Mutter behaupten beide, dass jedenfalls die Sache zu ihren Gunsten entschieden ist.

15. Oeuvres Completes de Chr. Huygens, Tome VI (Corresp.), 1666-1669, La Haye, Nijhoff, 1895, p. 365.

16. Apiarium, etc., III, 84, 87; Eugen Böckli, Paradoxien der Zeit, Kant-Studien, XXIX, Heft 3/4 (1924), S. 460-471, 467. — B. Russell, The Principles of Mathematics, I, Cambridge 1903, 358. — H. Behmann, a.a.O. S. 46.

17. Ph. Kohnstamm, Schepper en Schepping, Deel I, Het Waarheidsprobleem, Haarlem, 1926, 276. Der holl. Text wurde hier übersetzt.

18. The Principles I, (Ch. X, The Contradiction, p. 101-105). P. 101: „Let w be a class-concept which can be asserted of itself” („w is a w”). „Then (") if w be contained in another class v, since w is a w, w is a v, consequently there is a term of v which is a class-concept that can be asserted of itself. Hence by contraposition ($) if u be a class-concept none of whose members are class-concepts that can be asserted of themselves, no class-concept contained in u can be asserted of itself. Hence further, (() if u be any classconcept whatever, and u' the class-concept of those members of u which are not predicable of themselves, this class-concept is contained in itself, and none of its members are predicable of themselves; hence by ($) u' is not predicable of itself. Thus u' is not a u', and is therefore not a u; for the terms of u that are not terms of u' are all predicable of themselves, which is u' not. Thus (*) if u be any class-concept whatever, there is a class-concept contained in u which is not a member of u, and is also one of those class-concepts that are not predicable of themselves. So far, our deductions seem scarcely open to question. But if we now take the last of them, and admit the class of those class-concepts that cannot be asserted of themselves, we find that this class must contain a class-concept not a member of itself and yet not belonging to the class in question”. Von den Principia Mathematica (Russell-Whitehead) gibt es eine deutsche Uebersetzung: Einführung in die mathematische Logik, Drei Masken-Verlag 1932 (1. Stück).

19. Benno Urbach, a.a.O. 96. Urbach spricht in seiner Paraphrase von Russell von „Begriffen” (S. 95). Schönflies, a.a.O. 21, Note 3, von „Mengen”. „Russel(l) spricht von ‘Klassen’ statt ‘Mengen’. Dies kommt aber inhaltlich auf dasselbe hinaus. Auch sehe ich ausdrücklich von dem uneigentlichen Begriff einer Menge ab, die aus einem Elemente besteht.”

20. Schönflies, a.a.O. 19.

21. a.a.O. 95, sqq.

22. Otto Samuel, Ueber diskursive Sophismen, Zeitschr. f. Phil. u. phil. Kritik, Band CXLVII, Heft 2 (1912), S. 185, sqq.

23. a.a.O., S. 22.

24. Hugo Dingler, Ueber die logischen Paradoxien der Mengenlebre und eine paradoxienfreie Mengendefinition, Zeits. f. positivistische Philosophie, I. Band, 2. Heft, S. 143, sqq., 149/150. — Joseph Petzoldt, Beseitigung der mengentheoretischen Paradoxa durch logisch einwandfreie Definition des Mengenbegriffs, Kant-Studien, XXX, 1925, 346, ff. — Julius König, Neue Grundlagen d. Logik, Arithmetik u. Mengenlehre, Leipzig 1914, 41, ff. — Hans Lipps, Die Paradoxien d. Mengenlehre, Jahrb. f. Phil. u. phän. Forschung, VI (1923), 561, ff.

25. Cf. Note 4, Hugo Dingler.

26. Ueber Tristam Shandy s. auch: Les Paradoxes du Capitaine Marc-Luc-Roch Barole, par Paul Hyppolite de M*** (Tome I-IV), à Paris, chez Levrault fr., An X (1802), p. XIV (Vorwort).

27. Th. Ziehen. a.a.O. S. 10.

28. L.E.J. Brouwer. Intuitionisme en Formalisme (in: Wiskunde, Waarheid, Werkelijkheid, Groninen, 1919), Fussnote. Aehnlich: K. Grelling, a.a.O., S. 43. Anders: Hugo Dingler, a.a.O., S. 150.

29. Wohl-geordnet, d.h. dass in jeder Teilmenge ein Element vorhanden ist, das niedriger ist als alle anderen.

30. Vgl. Dingler, a.a.O. S. 149.

31. Z.B. von H. Bergmann, Das Unendliche und die Zahl, Halle a.S., 1913. S. 177.

32. Herausg. aus d. Nachlass, von Fr. Prihonsky, Leipzig, 1851 (Phil. Bibl. Bd. 99, Leipzig, 1920).

33. Bolzano, a.a.O. S. 7, ff.

34. Bolzano, S. 1.

35. Bolzano, S. 6.

36. Bolzano, S. 6.

37. Bolzano, S. 7.

38. Bolzano, S. 7-9.

39. Isenkrahe, a.a.O. 3, 5, 181, ff., 268, 312, cf. H. Bergmann, Geyser, Das philosophische Gottesproblem, Bonn, 1899; auch Bolzano selbst, a.a.O. mangelhafte Definitionen des Unendlichen, S. 8, 9.

40. D.H.Th. Vollenhoven, De Wijsbegeerte der Wiskunde van theïstisch standpunt, Amsterdam, 1918 (Diss.), 340.

41. Bolzano, a.a.O. 118.

42. Vollenhoven, a.a.O. 175.

43. Russell, Principles, I, 357.

44. Isenkrahe, a.a.O. 185.

45. H. Poincaré, Les mathématiques et la logique, Revue de métaph. et de morale, XIV (1906), 294-317, B. Russell, Mathematical logic as based on the theory of types, Amer. Journal of Math. XXX (1908), 222-262; angef. in Hugo Dingler. a.a.O. 143.

46. Hermann Weyl, Philosophie der Mathematik u. Naturwissenschaft, in: Handbuch d. Philosophie. Abt. II, Natur, Geist, Gott, München, Berlin, 1927, S. 38.

47. Joseph Klemens Kreibig, Ueber ein Paradoxon in der Logik Bolzano’s, Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. u. Soziologie. XXVIII 1904 375-391. Vgl. Hans Schmidkunz, Aufs. über J. K . Kreibig, Kant-Studien, XXIII (1919), 150, ff.

48. H. Bergmann, Das Unendliche und die Zeit, Halle, Niemeyer, versucht zu zeigen, dass die vermeintlichen Widersprüche des Unendlichen darauf beruhen, dass man das Unendliche fälschlich als Quantum behandelt, obwohl es keine unendlichen Zahlen geben kann. S.E. kann nur von unendlichen Grössen, nicht von unendlichen Zahlen die Rede sein. Der Unterschied von relativ und absolut-unendlich wird Ausgangspunkt für seine Lösung des schon erwähnten Paradoxons v. Burali-Forti.

49. Brouwer, Intuitionisme, etc. 7.

50. De Onbetrouwbaarheid, etc. Wiskunde, Waarheid, Werkelijkheid, 1919, S. 8.

51. Onbetrouwbaarheid, 9.

52. Onbetrouwbaarheid, 12.

53. Intuitionisme, etc. 19.

54. Cf. Hermann Weyl, a.a.O. S. 44, 47; D. Hilbert, Logische Grundlagen der Mathematik, Mathematische Annalen, 88. Band (1922), S. 151-165.

55. Weyl, a.a.O. 14, 17, 18, 19, 20, 23, 34, 39, 40, 41, 42, 43, 44, 46, 47, 48, 49, 50, 51. Cf. F. Bernstein, Die Mengenlehre G. Cantors u. der Finitismus, Jahresb. d. Deutschen Mathem. Ver. XXVIII, 1.-6. Heft, 1919. S. 71, ff. Grelling, Mengenlehre, 1924, S. 44.

56. Vgl.Marx-Engels-Archiv, II (1927), S. 230 (alle Grössen d. Math. imaginär nach Engels).

57. W. Dieck, Die Relativitätslehre u. ihre Stellung zur zeitgenössischen Philosophie, Sterkrade, 1923.

58. W. Dieck, Der Widersp. i.R. 9, cf. 18/9.

59. Hans Vaihinger. Die Philosophie des Als-Ob, Berlin, 1911, S. XII.

60. Dieck, a.a.O. 16.

61. Dieck, S. 19.

62. Vaihinger, 24, 172.

63. a.a.O. 172.

64. a.a.O. 172.

65. a.a.O. 532, ff. 560.

66. a.a.O. 71.

67. a.a.O. 506 ff.

68. Dieck, 20/21.

69. Dieck, 20.

70. Dieck, 21.

71. Dieck, 22.

72. Diek, 22. Vgl. dem gegenüber R. Otto, West-Oestliche Mystik, Gotha, 1926, S. 197: die Negation im paradoxen Nirwana sei gerade nicht das Setzen der Null (das nüchtersten fabile).

73. Dieck, 23.

74. ib. 27.

75. ib. 29.

76. ib. 30.

77. ib. 33. „Die Grundzahlen als Masse von Mengen sind ihrem Wesen nach vorzeichenlos; dadurch rechtfertigt sich insbesondere der Name absolute Zahlen . . . Von ihnen sind wesentlich verschieden die sogenannten Beziehungszahlen” (Rechenzablen, z.B. die negativen Zahlen), S. 28.

78. Dieck, 28.

79. ib. 33.

80. Die Phil. d. Ggw. in Selbstdarstellungen, 2. Band, Leipzig, 1921, Hans Vaihinger, S. 19, angef. bei Dieck, 33, Note.

81. Dieck, 34.

82. ib. 34.

83. ib. 35.

84. Leibniz Werke, ed. Gerhardt, 3. Folge, 2. Abt. 1, Halle 1858, S. 387, ff.; angef. bei Dieck, 41, Note.

85. Dieck, 41, 42, 3, 64, 111, 112.

86. Dieck, 114.

87. Russell, Principles of Math. p. 105.

88. Th. L. Haitjema, Philosophie van ’t „als-of” en theologie van ’t „nochtans”, Nieuwe Theologische Studiën, Veenman, Wageningen, X (1927) 257, sqq. Vgl. H. Vaihinger’s Erörterung v. d. Frage, ob seine Phil. religionsfeindlich sei, Festschrift f. Efraim Liljequist (Sonderabz. bei Niemeyer-Lippert, Halle), 1932.

89. Gustav Spengler, Das Verhältnis der „Phil. d. Als-Ob” H. Vaihingers zu Meinongs „Ueber Annahmen”, Ztsch. f. Phil. u. phil. Kritik, CXLVII (1912), Heft. 2 (S. 129) ff.

90. Wörterb. d. phil. Begriffe, s.v.

91. Fréd. Loliée, Le Paradoxe à travers les siècles, Revue Internationale, IVe Année, Tome 16me, 4e livraison, 25. Nov. 1887, Rome, Forzani & Cie.

92. H. Weyl, Die heutige Erkenntnislage in der Mathematik, Symposion, Heft 3, Erlangen, 1926, S. 32.

93. Ph.E.B. Jourdain, The Philosophy of Mr. B*rtr*nd R*ss*ll, London (first publ. in 1918), p. 6, 26 (symbolic logic), 37 (Frege), 42 (whole and part), 45 (Poincaré), 63 (finite and infinite), 64 (Tr. Shandy), 75 (paradoxes of logic), 81 (hier. of jokes), 89 (synthesis of contradictories), 90 (conformity of a paradoxical logic with common-sense: „but I was thinking of a plan/ to dye one’s whiskers green/ and always use so large a fan/ that they could not be seen”.)







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