§ 4. Die allgemein übliche Bedeutung des Wortes „paradox” in den kanonischen und apokryphen (Bibel)büchern.

Im Neuen Testament findet sich das Wort B"DV*@>@H nur einmal vor, und zwar Luk. 5, 26: 6"Â §6FJ"F4H §8"$g< žB"<J"Hs 6"Â ¦*`>".@< JÎ< hg`<s 6"Â ¦B8ZFh0F"< n`$@L 8X(@<JgH ÓJ4 gÇ*@:g< B"DV*@>" FZ:gD@<. Das Voc. of the Greek Test. von Moulton-Milligan 1) übersetzt: unexpected, wonderful, admirable. Aus dem ¦*`>".@< JÎ< hg`< (wobei das Imperfectum zwischen den Aoristen wohl zu bemerken ist) geht klar hervor, dass an der Faktizität des „paradoxen” Wunderzeichens nicht gezweifelt wurde.

In der Septuaginta hat das Adjektiv dieselbe Bedeutung. Judith 13, 13: und es liefen zusammen alle, klein und gross, denn es war ihnen unerwartet, dass sie wiederkam. Sap. 5, 2: (ihn) sehend, werden sie . . . in Erstaunen geraten über das Unerwartete seiner Rettung. Sap. 16, 17: Denn das Wunderbarste (dabei war), dass das Feuer (das die Feinde verzehrende F.) mitten in dem alles auslöschenden Wasser eine grössere Wirkung hatte; denn die Natur muss für die Gerechten kämpfen (ein Gesetz also in der historia salutis, worauf ein „paradoxes” factum zurückgeführt wird). Sap. 19, 5: damit dein Volk eine ganz unerwartete Wanderung erführe (sc. aus der Trübsal). Sirach 43, 25: Dort (d.h. im Meer) gibt es Wunderdinge, seine staunenswerten Geschöpfe, verschiedene Gattungen von allerlei Lebewesen und die Fischkolosse (Wunderdinge = two)lfp:, wie Ps. 119, 129, Kautzsch; cf. die |84| „Paradoxa” der späteren Paradoxographoi in § 1). 2. Macc. 9, 24: . . . damit die Leute im Reiche falls etwas Unerwartetes vorfiele . . . wussten, an wen die Regierung gefallen sei und nicht in Unruhe gerieten. 2) In all diesen Citaten ist das Paradoxe wirklich, historisch, sinnlich gegeben.

In Bezug hierauf hat auch das Verbum B"D"*@>V.T seine Bedeutung. Deut. 28, 59 LXX: 6" B"D"*@>VFg4 6bD4@H JH B80(VH F@L 6" JH B80(H J@Ø FBXD:"J`H F@Ls B80(H :g(V8"H 6" h"L:"FJH 6" <`F@LH B@<0DH 6" B4FJVH. Hebr. .Mynimf)vnew: My(irf Myilfx/wf twonmf)vnew: twoldog: twok@ma K1(er:za twok@ma t)ew: K1t:k@oma-t)e hweh:ya )lfp:hiw: Bemerkenswert ist hier, dass das nämliche Wort Nmf)vne sowohl mit h"L:"FJ`H als mit B4FJ`H übersetzt wird (h"L:"FJ`H ist oft aequivalent zu B"DV*@>@H). Die Uebersetzung Steuernagels 3) fasst vielleicht den Sinn des hebräischen Textes besser als die Septuaginta (so wird Jahwe die Plagen, die dich und deine Nachkommen treffen, ausserordentlich steigern, grosse und anhaltende Plagen, und schlimme und anhaltende Krankheiten): aber etymologisch hat das B4FJ`H der Septuaginta sein Aequivalent in Nmf)vne (Ö Nm)!) und deshalb ist eben für uns die Gleichsetzung von h"L:"FJ`H und B4FJ`H interessant und bedeutungsvoll. Was B"D"*@>V.T selbst anlangt, sei hingewiesen auf Gesenius’ Wtbch.: )lp Hi.: ausserordentlich machen, Dt. 28, 59; Ps. 31, 22; 2. Chron. 2, 8; — wundersam umgehn mit, 29, 14; Ri. 13, 19; 2. K. 26, 15: ihm wurde wunderbar geholfen. — Weiter: Ex. 8, 22 (hebr. 8, 18): 6" B"D"*@>VFT ¦< J± º:XD‘ ¦6g\<® J¬< (¬< 'XFg: s ¦nz ½H Ò 8"`H :@L §FJ4< ¦Bz "ÛJ­Hs ¦nz Á @Û6 §FJ"4 ¦6gà 6L<`:L4". Hebräisch: bro(f M#$f-twoyhv yt@il:bil: hfyle(f dm"(o ym@i(a r#$e)j N#$eg@o Cre)e-t)e )w@hha Mwoy,ba ytiyl"p:hiw:. Baentsch 4) übersetzt: Das Land Gosen aber, in dem mein Volk sich aufhält, will ich an dem Tage absondern, dass keine Stechfliege dahin komme; und fügt hinzu: |85| „das Verbum bedeutet hier nicht: auszeichnen, verherrlichen (B"D"*@>V.T, LXX, faciam mirabilem, Vulg.) wie Ps. 4, 4; 17, 7, sondern: absondern, eine Ausnahme machen mit etwas (Targ. Onq. Pes.). — Dann: Ex. 11, 7, in Gosen sterben die Erstgeborenen nicht ÓBTH gÆ*±H ÓF" B"D"*@>VFg4 6bD4@H •< :XF@< Jä< !Æ(LBJ\T< 6" J@Ø z3FD"Z8. Hebr.: .l)"rf#$:yi Nyb"w@ Myirac:mi Nyb@e hreh:ya hlep:ya r#$e)j Nw@(d:t@" N(amal:. Gesenius übersetzt hlp Hi. durch absondern, Ex. 8, 18, einen Unterschied machen zwischen, Ex. 9, 4; 11, 7, jem. auszeichnen, Ps. 4, 4, dah. gross machen Ps. 17, 7. Schliesslich ist für das Verständnis von B"D"*@>V.T noch wichtig Sirach 10, 13: Darum hat der Herr wunderbare Heimsuchungen ergehen lassen (eig. „macht wunderbar die Heimsuchungen”, B"D"*@>V.T = )yl"p:hi Dt. 28, 59, LXX, Kautzsch). Auch 2. Macc. 3, 30: Die Juden aber priesen den Herrn, der seinen Ort so verherrlicht hatte.

Das Gesagte genügt, um zu zeigen, dass B"DV*@>@H sowohl als Adjektiv als im verbum derivatum die Wirklichkeit des paradoxalen Inhaltes keineswegs disputabel stellt; von Absurdität ist keine Rede. Ueber das alte „wider die Erwartung” („Meinung”) kommt das Wort nicht hinaus. 5)

Aus diesen Gründen lehnen wir bereits hier mit Nachdruck die Uebersetzung ab, die auch K. Barth in seinem Kommentar zum Römerbrief gegeben hat, wenn er „paradox” übersetzt mit: „gegen den Schein” (Doxa). Diese Uebersetzung 6) ist wissenschaftlich unhaltbar; sie ist nicht nur, wie wir oben in Bezug auf P. Brunner sagten, uncalvinisch, sondern auch unbiblisch; „Exegese” treibt man mit ihr durchaus nicht. 7) Und wer mit |86| H.E. Weber 8) den Ausdruck „sich bekennen zum Paradox” identifizieren will mit „sich erheben über den Augenschein”, rückt noch weiter von der neutestamentlichen Sprache, und von der eigentlichen Bedeutung des Wortes „paradox”, ab.




1. Hodder & Stoughton, London, 1926.

2. Uebersetzungen von E. Kautzsch, Die Apokr. u. Pseudepigr. d. A.T. I, 289, Tübingen, Mohr, 1900.

3. C. Steuernagel im Göttinger Handkommentar (Vandenhoeck & Ruprecht), Deut. u. Josua, 1910.

4. Br. Baentsch im Göttinger Handk., Ex. Lev. Num. 1903.

5. Cf. G. Abboth-Smith, A Manual Greek Lexicon of the New Test. 2d. (rev.) ed., T. & T. Clark, London, Edinburgh, 1923: B"D"*@>V.T (*@>V.T) 1: to separate, distinguish, *4"FJX88T, Sept. Ex. 9, 4; 11, 7. — 2: To make wunderful, Sept. Deut. 28, 59.

6. Karl Barth, Römerbrief, 3. Aufl., S. 96, 98.

7. Von Soden, Das lateinische N.T. in Afrika zur Zeit Cyprians, Leipzig, 1909 (= Texte u. Unters. z. Gesch. d. altchr. Lit. III, 3) weist darauf hin, dass in Ms h claritas und honor nebeneinander erscheinen (S. 238/9), und bemerkt, dass *`>" claritas und *@>V.g4< clarificare bedeutet, cf. |86| B"DV*@>", in Ms e übersetzt mit praeclara (Lk. 5, 26). Aber jedenfalls ist claritas nicht: Schein; und die Uebersetzung mit „Meinung” wird durch dieses Detail keineswegs zurückgewiesen.

8. H.E. Weber, „Eschatologie” und „Mystik” im Neuen Testament (Beitr. z. Förd. chr. Theol., II. Reihe, 20. Bd.) Gütersloh, 1930, S. 231.







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